Letzte Hoffnung für ein Feld – mit Pappelreihen gegen den Wind

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 02.04.2024

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Mit Pappelreihen sollen die Kulturen auf einem Acker künftig vor Wind geschützt werden. Ein Versuchsprojekt auf dem Biokreis-Betrieb von Dirk Barthel.

In Greudnitz im Landkreis Nordsachsen liegt ein offenes Feld. Sieben Hektar groß ist es und befindet sich mitten in einer Windschneise. Für die hereinströmende Luft, die aus Nord-Osten kommt, bietet das Feld volle Angriffsfläche. Und weil es in dieser Gegend wenig Niederschläge gibt, trocknet die Erde aus. Sogar
Staubwolken entstehen über dem leichten Boden. Lupine wurde darauf angebaut, Hafer, Winterroggen, „alles, was ich versucht habe, ist vertrocknet“, erzählt Biokreis-Landwirt Dirk Barthel, der die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben hatte. Doch nun hat er mit dem Feld so Einiges vor. Denn im Rahmen eines Versuchsprojekts des Öko-Kompetenzzentrums Sachsen sollen hier Baumreihen gepflanzt – und damit die Bedingungen für den Anbau von Ackerkulturen verbessert werden.

Wetterstation und Bodenfeuchtesonden

„Der Projektgedanke ist, an Trockenstandorten in Sachsen Agroforstsysteme zu etablieren und die Entwicklung der kleinklimatischen Verhältnisse begleitend zu untersuchen“, erklärt Christoph Müller vom Praxislabor Klima des Ökokompetenzzentrums Sachsen. Dort hat Dirk Barthel, der insgesamt 155 Hektar bewirtschaftet und seinen Schwerpunkt in der Rinder-Direktvermarktung hat, seinen Betrieb und sein problematisches Feld vorgestellt und wurde mit Interesse aufgenommen. „Ziel ist hier ganz klar die Windreduktion“, erklärt der Versuchsleiter. Zu diesem Zweck ist zunächst ein Pflanzplan erstellt worden.

1444 Pappeln sollen in einem Pflanzabstand von 1,35 Metern eine Gehölzfläche von 8319 Quadratmetern schaffen. Je vier Baumstreifen, die in drei Metern Abstand zueinander stehen, unterteilen die Ackerfläche
horizontal in fünf Abschnitte. Bevor es mit der Pflanzung losgeht, hat Dirk Barthel das Feld noch aufgewertet und Winterroggen gesät. Die Voraussetzungen für den Start sind gut, denn in diesem Winter war es feuchter als sonst üblich. Um die Daten erheben zu können, wurden acht Bodenfeuchtesonden eingebaut. Mit diesen und mit Hilfe von Wetterdatenmessungen wird seit Ende Januar der Ist-Zustand
erfasst. Erhoben werden Niederschlag, Lufttemperatur, relative Luftfeuchtigkeit, globale Strahlung, Windgeschwindigkeit, Windrichtung sowie Bodenfeuchte und -temperatur bis 90 Zentimeter Tiefe.

Grafik: Barthel

„Unsere zentralen Fragestellungen lauten: Ist die Wirkung verbessernd fürs Kleinklima? Und rechtfertigt der Ertrag am Ende die Kosten der Bewirtschaftung?“, erklärt Christoph Müller. Zu Beginn des Frühjahrs werden die eineinhalb bis zwei Meter langen Pappelruten in die Erde gesteckt. In einem Jahr werden sie um etwa dieselbe Länge gewachsen sein. Mit den schnell aufstrebenden Bäumen will man einen schnellen Effekt erzielen.

Aufbau eines Vorzeigeprojekts

Das Projekt ist eine große Sache. Der Deutsche Wetterdienst war schon auf dem Hof von Dirk Barthel, und auch Interessierte von der Universität Leipzig begutachteten das Feld samt technischer Ausstattung.
Und das, obwohl von Bäumen auf dem Acker noch gar nichts zu sehen ist. „Ich will hier ein Vorzeigeprojekt aufbauen und Veranstaltungen für Biokreis-Landwirt:innen anbieten“, zeigt sich der Landwirt, der seit 2003 biologisch wirtschaftet und sich schon lange für das Thema Agroforst interessierte,
optimistisch.

Bei der Pflanzung der Pappeln will er es daher auch nicht belassen. Die Investitionskosten
für letztere werden im Rahmen des Versuchsprojekts getragen, zusätzlich plant Dirk Barthel die Etablierung von 500 bis 1000 Nutzhölzern wie Obstbäume. Sein Plan ist, langfristig eine Obstvermarktung aufzubauen. Außerdem will er auf dem Acker, den er mit Beginn der Pappelpflanzung nicht mehr vertikal, sondern wegen der quer stehenden Baumreihen horizontal bearbeiten muss, auch andere Kulturen ausprobieren. „Vor den Baumreihen besteht Windschutz, hinter den Reihen Sonnenschutz. Ich möchte mich unter diesen Bedingungen langsam vorantasten und einerseits den Anbau von Leguminosen, andererseits von Gemüse wie Zwiebeln oder wildem Brokkoli versuchen.“

Die Hoffnung: Das Kleinklima wird so verbessert, dass auch unter den vorhandenen extremen Bedingungen Kulturen erfolgreich angebaut werden können. „Das ist einer der Bausteine für die Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels und spielt für die Ökolandwirtschaft eine große Rolle“, erklärt
Christoph Müller. Um hier was voranzubringen, wolle man ein Netzwerk von Bio-Partnerbetrieben aufbauen, auf denen Praxisversuche bearbeitet werden. Darüber hinaus will Dirk Barthel auf seinem Betrieb besonders die Entwicklung der Biodiversität beobachten. Christoph Müller fasst zusammen:
„Es wird spannend!“

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Ronja Zöls-Biber

Redaktionsleitung BioNachrichten / Mitarbeiterin beim Biokreis e.V.