Ökofeldtage 2023: Auf dem Boden des Geschehens

Von Biokreis-Redaktion | Gepostet am 30.08.2023

Like and share

Auf WhatsApp teilenAuf LinkedIn teilen

Die Öko-Feldtage 2023 in Baden-Württemberg präsentierten Landwirtschaft der Zukunft.

Weiße Zelte, bunte Fahnen, strahlender Sonnenschein mit einer Brise Wind, ein köstlicher Duft von gutem Essen, Menschen mit Strohhüten auf den Köpfen, viele auf Strohballen sitzend – umgeben von viel Grün, mutete der Biohof Grieshaber & Schmid in Ditzingen-Hirschlanden in Baden-Württemberg fast wie ein alternatives Festival an. Doch hier an den Hängen des Öko-Betriebs fanden am 14. und 15. Juni die Öko-Feldtage 2023 mit fast 350 Ausstellenden und 12.000 Besucher:innen statt.

Zwei Tage lang konnten am Ökolandbau Interessierte zahlreiche Versuchs- und Demoflächen besichtigen, an Fach-Workshops und Führungen teilnehmen, Podiumsdiskussionen verfolgen sowie die Stände unter den weißen Dächern besuchen. Auch der Biokreis sowie die BioNachrichten waren vertreten. Auf den Biokreis-Demoparzellen wurden Bestände von Soja, Hirse und Blühmischungen gezeigt, Berater:innen informierten über den Verband und seine Schwerpunkte. Am Medienstand posierten gut gelaunte Gäste auf der überdimensionalen BioNachrichten-Titelseite und versuchten sich am Ökofeldtage-Quiz zu Leguminosen.

Zauberwort Kreislaufwirtschaft

Bei der offiziellen Eröffnung sprach der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk vom „Zauberwort Kreislaufwirtschaft“. „Ohne Tierhaltung kein Ackerbau!“, betonte der CDU-Politiker. Das Land Baden-Württemberg habe sich zum Ziel gesetzt, 30 bis 40 Prozent Ökolandbau bis 2030 zu erreichen. Die Öko-Feldtage böten die Möglichkeit, sich hierfür über die Landesgrenzen hinaus zu vernetzen und auszutauschen. Silvia Bender, Staatssekretärin des grünen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, räumte ein, dass dies keine leichte Zeit für die Erreichung des 30-Prozent-Bio-Ziels sei. „Doch hier auf den Ökofeldtagen wird die Bio-Strategie von allen und jedem gelebt. Wir wollen uns optimistisch der Weiterentwicklung der ökologischen Landwirtschaft widmen – vom Saatgut bis zur Verbraucherschaft.“

BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres mahnte an, dass die Bio-Strategie jetzt finanziell mit Ressourcen ausgestattet werden müsse. Grundsätzlich erinnerte sie daran, dass 90 Prozent der Kaufentscheidungen emotional gesteuert seien. „Bio hat hierfür ein unerschöpfliches Repertoire an Menschen und Geschichten. Auf den Öko-Feldtagen stehen wir auf dem Boden des Geschehens. Das ist umwerfend und bewegend.“ Bei einem Rundgang über das weitläufige Gelände begegneten den Gästen Agri-PV-Anlagen in unterschiedlichen Varianten, Bewässerungstechniken für den Feldgemüseanbau, Roboter, die auf Demoparzellen den Vorgang des autonomen Hackens vorführten, Stallungen mit Milchvieh und vieles mehr.

Neue Gentechnik: Demut vor der Komplexität

Auch politische Themen wie die drohende Deregulierung der Neuen Gentechnik wurden an den Ständen sowie auf der Hauptbühne diskutiert. Biokreis-Landwirtin Bärbel Endraß vom Aktionsbündnis gentechnikfreie Landwirtschaft hatte vor Publikum die Gelegenheit, mit IFOAM-Präsident Jan Plagge und Prof. Dr. Maria Finckh von der Uni Kassel über das Thema „Neue Gentechnik: Wahlfreiheit oder Berufsverbot für Biohöfe?“ zu sprechen. Maria Finckh erklärte dabei anschaulich die Rolle der DNA, die nicht für sich selbst stehe, sondern beeinflussbar sei durch Wechselwirkungen mit Mikroorganismen, Viren, Bakterien und anderen Umweltfaktoren. Beispiel: Die DNA einer Bienenkönigin und einer Arbeiterin sei identisch, durch unterschiedliche Fütterung bilde sich das Lebewesen verschieden aus. „Lässt man GVO aus dem Labor ins Freiland, gibt es keine Vorhersehbarkeit“, betonte sie. Tina Andres, die die Diskussion moderierte, forderte Demut vor der Komplexität der Thematik und warnte davor, plötzlich wie der Zauberlehrling vor den Geistern zu stehen, die man rief.

Jan Plagge berichtete vom extremen Druck der Chemie- und Saatgutlobby. „Die Meinungshoheit ist in die Hände dieser Lobby geraten.“ Kaum ein Wissenschaftler traue sich mehr, darüber zu diskutieren. Der Grund sei einfach: die kommerzielle Nutzbarkeit von Patenten auf Pflanzen-Eigenschaften. Nur eine Eigenschaft, die technologisch produziert sei, könne patentiert werden. Werde diese Eigenschaft natürlich gezüchtet, sei Patentierung ausgeschlossen. „Dahinter steckt ein Milliardengeschäft“, so Jan Plagge.

„Die Konzerne sind nicht unsere Freunde!“

Bärbel Endraß begann mit den Worten: „Wir sind keine Insel!“ und wies darauf hin, dass auch ihre konventionelle Nachbarschaft keine Gentechnik wolle. Die Deregulierung sei nur ein Mittel zur Patentierung, Züchtung und Vielfalt würden dabei eingeschränkt. Ein Beispiel: Nach der Einführung von GVO-Zuckerrüben in den USA wurde in der Bevölkerung der Ruf nach GVO-freien Süßigkeiten laut. Die Konzerne sorgten jedoch dafür, dass die Landwirt:innen nicht mehr an entsprechendes Saatgut kamen. So wurden die Rüben kurzerhand durch Zuckerrohr ersetzt. Außerdem sprach sie von „sozioökonomischen Folgen, die wir uns noch gar nicht vorstellen können“.

In Kenia etwa erhielten Bauern und Bäuerinnen von den Baumwollmühlen stets Saatgut zurück, um dieses neu aussäen zu können. Seit GVO zugelassen sei, bekämen sie dieses nicht mehr. Ein Teil der Wertschöpfung falle weg. Maschinen könnten im Falle der Deregulierung nicht mehr in der Nachbarschaft ausgetauscht und geteilt werden. „Das macht etwas mit uns, mit Menschen, mit Gemeinschaften!“, bekräftigte die Biokreis-Bäuerin. Und bezüglich der Konzerne: „Sie sind nicht unsere Freunde!“

Biokreis-Redaktion