„Die Bio-Kundschaft bevorzugt Glas und Papier“

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 05.06.2024

Like and share

Auf WhatsApp teilenAuf LinkedIn teilen

Seit 2020 beschäftigt sich die AG Verpackung im Bundesverband Naturkost Naturwaren e.V. (BNN) mit dem „Drumherum“ für Bio-Lebensmittel. Dort weiß man: Vor allem bei der Bio-Käuferschaft ist eine nachhaltige Verpackung ausschlaggebend für die Kaufentscheidung. Ulrike Schaal, die die Arbeitsgruppe betreut, erklärt im Interview, was die Bio-Kundschaft erwartet und wie Lebensmittelhersteller darauf reagieren.

Frau Schaal, welche Art von Verpackung wird von der Bio-Käuferschaft gemeinhin als nachhaltig eingestuft?
Nach unserem Wissen bevorzugt die Bio-Kundschaft bei der Verpackung, was als „natürlich“ angesehen wird, und in der Regel bedeutet das plastikfrei. Das sind in erster Linie Papier und Glas.

Und liegen sie damit richtig?
Nicht unbedingt. Wenn Glas nicht Teil des Mehrwegsystems ist, ist es ökobilanziell nachteilig. Die Ökobilanz von Plastik fällt unter anderem wegen des geringeren Gewichts positiver aus. Papierverpackungen sind aufgrund der fehlenden Feuchtigkeitsbarriere nicht in jedem Fall geeignet und brauchen auch eine dickere Stärke als Plastik. Bezieht man den sogenannten Littering-Faktor ein, dann kann Papier trotzdem Sinn machen: Wenn Verpackung in der Umwelt entsorgt wird, verrottet es natürlich viel schneller als Kunststoff. Bei Fleisch ist Plastik alternativlos. Hier spielt die Verpackung außerdem eine untergeordnete Rolle, da Aufzucht und Herstellung ökobilanziell so gewichtig sind.

Wie gehen Bio-Lebensmittelhersteller mit dieser Diskrepanz von Erwartung und tatsächlicher Sinnhaftigkeit um?
Sie reagieren völlig unterschiedlich. Pasten wären beispielsweise besser im Kunststoffbecher als im Einwegglas aufgehoben. Wahrscheinlich, weil das bei der Bio-Kundschaft weniger gut ankommt, wird es nur selten so umgesetzt. Erste Unternehmen wechseln aber von Einweg- auf Mehrweggläser. Je häufiger ein Glas verwendet wird, umso geringer wirkt sich der Faktor Gewicht aus. Im Molkereibereich kennen wir diese Tendenz nun schon seit einigen Jahren. Für Milch und Joghurt hat sich Mehrweg bei den Verbraucher:innen schon gut eingeprägt.

Wo bestehen weitere Chancen für Mehrweg?
Relativ neu ist, Halbliter-Joghurtgläser für Trockenprodukte zu verwenden. Auch kleine Sahne-Behälter werden schon vereinzelt für Trockenprodukte genutzt. Aktuell hat ein Unternehmen angefangen, Öl in Mehrwegflaschen abzugeben. Es wäre wünschenswert, pastöse Produkte wie Tomatensauce und andere Konserven in Mehrweggläser abzufüllen – auch hier gibt es erste Angebote in eigens hierfür entwickelten Glasformen. Doch der Umstellungsprozess gestaltet sich bei Mehrweg sehr langsam. Wichtig wäre auch, weniger mit Individualgebinden zu arbeiten.

Was ist mit alternativen Kunststoffen, die biobasiert oder kompostierbar sind?
Biobasierte Kunststoffe würden insofern Sinn machen, dass der Rohöl-Einsatz durch Pflanzen ersetzt wird. Allerdings befürworten wir in der Branche ja keinen Einsatz von gentechnisch angebauten Pflanzen, die hierfür oft Verwendung finden. Kunststoffe aus Mais oder Zuckerrohr bringen krasse Monokulturen mit sich. Hinzu kommt das Thema Flächenkonkurrenz. Es gibt hierzu verschiedene Meinungen. Kompostierbare Kunststoffe andererseits dürfen nicht in die Bio-Tonne entsorgt werden, sondern lediglich im privaten Kompost. Landen sie in der Tonne, machen sie sogar Probleme in den Kompostieranlagen, da sie heraussortiert werden müssen und anschließend wie normaler Kunststoff verbrannt werden.

Was ist die nachhaltige Katastrophe schlechthin bei Verpackungen?
Die schlechteste Option sind Verbundverpackungen, also wenn beispielsweise Papier und Kunststoff miteinander verklebt sind. Grundsätzlich muss alles gut trennbar sein.

Sind nachhaltige Verpackungen teurer?
Leider häufig ja. Mehrweg ist meistens teurer als Einweg. Monomaterialien sind zum Teil wegen der benötigten Foliendicke teurer als Verbundverpackungen. Primärkunststoff ist so billig, dass es recyceltes Plastik derzeit leider schlägt. Recycelter Kunststoff kann im Lebensmittelbereich auch nur begrenzt eingesetzt werden, da es für den direkten Kontakt mit den Lebensmitteln nicht zugelassen ist. Es gibt aber Ansätze, recycelbaren Kunststoff in den äußeren Schichten zu nutzen und nur die innere Schicht mit Frischplastik auszustatten. Derzeit sind neue Becher in den Bio-Läden, bei denen dieses Prinzip bestmöglich ausgereizt wurde.

Wie kann man dann zumindest die Käuferschaft über die Nachhaltigkeit von Verpackungen informieren?
Empfehlenswert ist ein Hinweis auf der Verpackung, dass diese recycelbar ist. Mehrweg stellt für die
Verbraucher:innen oft eine kleine Hürde dar. Sie müssen das zusätzliche Gewicht schleppen und auch wieder zurückbringen. Auf der Verpackung, im Regal und im Laden sollte darauf hingewiesen werden, dass dies der Umwelt nützt. QR-Codes auf der Verpackung sind für Jüngere zwar ein gutes Angebot, werden aber vermutlich eher selten genutzt.

Profilbild

Ronja Zöls-Biber

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktionsleitung BioNachrichten