Roboter auf dem Acker – teure Spielerei oder Effizienzgewinn?

Bild: Speisegut
Digital Farming auf dem Biokreis-Hof Heymann.
An einem sonnigen Herbsttag lud unser frisch gebackener Biokreis-Gemüsebauer Christian Heymann auf seine Betriebsflächen am Rande von Berlin zur Vorstellung des „Naïo Oz“-Feldroboters. Da er selbst überlegt, sich autonome Hilfe auf den Betrieb zu holen, konnten er und zwei Dutzend Anwesende sich gemeinsam über Digital Farming informieren. Zunächst stellte Christian Heymann seinen Solidarischen Landwirtschaftsbetrieb kurz vor, den er mit Mitte 30 und 2.000 Euro Startkapital aus dem Nichts gründete. Die Hälfte des Geldes floss in Saatgut, die andere in den Markenschutz von SpeiseGut.
Inzwischen bewirtschaftet er mit einem Team von zehn Personen 9 ha Gemüse, davon 0,1 ha unter Folie. Hier wachsen 25 Kulturen mit gut 120 Sorten für lebendige Gemüsekisten. Zudem kooperiert er mit zwei
Biokreis-Betrieben in Brandenburg. Johannes Erz baut für ihn Kartoffeln (1,5 ha) und Kürbisse (1 ha) an, und auf dem Bauernhof Weggun kümmert sich Frank van der Hulst um 0,2 ha Weiß- und Rotkohl.
Aus acht Ernteanteilen im Jahr 2013 sind inzwischen 430 Gemüsekisten- Abos geworden, die an über 23 Verteilerstationen abgegeben werden. Christian betreibt einen Hofladen, jagt und vertreibt regionale Wildfleisch- und Wurstwaren, presst eigene Öle und hat die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen jüngst in den SpeiseGut e.V. ausgelagert.
Darüber hinaus engagierte er sich als einer der wenigen innerstädtischen Landwirt:innen im Berliner Ernährungsrat. Er ist tief überzeugt, dass der Wert des einzelnen Produkts durch Solidarische Landwirtschaft wieder zum Vorschein kommt. Dennoch muss auch er schauen, dass die Fläche effizient bewirtschaftet wird. Sein 45-PS-Schlepper schafft es nicht mehr allein, Umbauten und Pflege während der Saison sind aufwändig und die arbeitsintensive Jätzeit im Sommer bereitet ihm Kopfschmerzen.
„Du musst auf dem Quadratmeter gut werden!“
Bei kleinen und Kleinstbetrieben ist die Wertschöpfung auf jedem Quadratmeter entscheidend, bestätigt Cornelius Donath, der den französischen Hersteller Naïo Technologies auf dem deutschen Markt vertritt. Die junge, auf gelebte Nachhaltigkeit setzende Firma hat zwei Gemüsebau- und einen Weinbauroboter entwickelt, die inzwischen weltweit eingesetzt werden. Allesamt 100 Prozent elektrisch betrieben, multifunktional und individuell anpassbar. Cornelius hat den Kleinsten der drei – den „Oz“ – mitgebracht, der speziell auf intensiv bewirtschafteten Gartenbaubetrieben mit bis zu zehn Hektar gut ins Konzept passt. Er ist einfach in der Handhabung (neben dem Bedienfeld am Roboter gibt es eine Fernbedienung und zusätzlich bald auch eine App) und über den Geräteträger am Heck ist er mit vielfältigen mechanischen Werkzeugen kombinierbar.
Aktive Werkzeuge wie eine Fräse lassen sich derzeit noch nicht anbauen, denn für den Antrieb bräuchte es so viel Energie, dass die autonome Zeit stark eingeschränkt wäre. Der Oz gehört zu den preiswerten Feldrobotern. Durch den Elektromotor, der 0,6 Diesel-PS entspricht, ist er so wartungsarm wie ein Elektrorasenmäher und kommt ganz ohne teure Zusatzmodule aus, denn an die genormten Profile passen die eigenen (oder sogar Opas) Werkzeuge. Der 150 Kilogramm schwere Oz eignet sich somit auch gut, um weitere Anwendungsideen auszutüfteln. Sobald ein Hindernis den Weg versperrt oder die Funkverbindung unterbrochen ist, stoppt der Oz. Dann erhalte ich als Nutzer:in eine Nachricht aufs Handy und kann ihn nach der Fehlerbehebung wieder zum Arbeiten auf die Beete schicken. Dies passiert händisch, damit ich gezwungen bin nachzuschauen. Für den Notfall gibt es noch den großen roten Abschaltknopf am Gerät.

Schließlich durften wir den kleinen Zauberer live erleben und neben ihm den Acker abschreiten. Zunächst in Verbindung mit einer Säeinheit vom Betrieb, die dann mit wenigen Handgriffen durch eine Häufelschar für Zucchinipflanzungen und wenig später durch Gänsefußscharen und Striegel ersetzt wurde. Es war beeindruckend, dass der Oz auf 2 cm genau die etwas schiefen Reihen erkannte und sich flüsterleise über die Fläche navigierte. Hier hatte Christian im Vorfeld schon die Karte der Parzelle eingelesen und die Spurlinien festgelegt.
Chancen und Einschränkungen beim Einsatz autonomer Helfer
Durch die mechanische Beikrautregulierung sind diese Ackerroboter natürlich interessant für den Ökolandbau. Sie führen zu weniger Verdichtung und bieten minimalinvasive Bodenbearbeitung. Auch der Arbeitskräftemangel und steigende Produktionskosten machen den Einsatz auf Marktfruchtbetrieben sinnvoll. Dennoch muss ein Kleinbetrieb die Kosten für diesen Roboter auch erst mal erwirtschaften, die mit rund 25.000 Euro zu Buche schlagen. Jedoch kommt die kompakte und vielseitige Maschine mit einem hochpräzisen RTK-Lenksystem, welches allein bei Schleppern auch mit gut 15.000 Euro nachgerüstet werden müsste.
Doch Feldroboterkonzepte stoßen durch ihr transformatives Potenzial in der Landwirtschaft auf Widerstände. Autonome Maschinen sind zunehmend in eine digitalisierte Umwelt eingebunden und könnten langfristig den eigenen Berufsstand in eine Nebenrolle drängen. Interessanterweise – und das erstaunte den Gastgeber am meisten – gab es in der anschließenden Diskussions- und Fragerunde praktisch keine ablehnende Haltung zum Einsatz dieses Multifunktionsroboters. Sicher lag das auch an der leidenschaftlichen Firmenvorstellung. Am Hauptsitz von Naïo Technologies in Frankreich sei Lebensmittelverschwendung verpönt, im Büro würden ökologische und fair hergestellte Produkte konsumiert und Umweltschutz habe laut Cornelius Donath oberste Priorität. Eine solche Philosophie kann die Akzeptanz in der Biobranche natürlich fördern.
Dennoch bleibt Digitalisierung verbunden mit Überwachungstechnik und im schlimmsten Fall Datenklau. Wer die Technik nutzt, muss sich damit auseinandersetzen, dass der Roboter bei jedem Fehler mit der Mutterfirma kommuniziert, auch wenn das natürlich in erster Linie dem Kundenservice und der Produktverbesserung dient. Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Aspekt, ist die rechtliche Situation. Ob solche Roboter irgendwann tatsächlich gänzlich ohne menschliche Überwachung aufs Feld dürfen, ist eine Frage, die die Politik mit der Branche gemeinsam klären muss.
Jedoch ist bewiesen, dass Artenvielfalt durch kleinere, heterogene Schläge begünstigt wird und diese wiederum benötigen kleine Maschinen zur Bewirtschaftung. Auch der notwendige Umbau der gesamten Landwirtschaft hin zu mehr Gemüse und weg von Pestiziden kann nicht oft genug betont werden. Hier bietet die Robotik Lösungen an, die an diesem Nachmittag deutlich wurden und alle Teilnehmenden mit viel positivem Input nach Hause geschickt hat.
Inzwischen hat Christian Heymann beschlossen, sich den „Oz“ zu mieten. Beim Säen, Striegeln und Hacken sowie der Bewirtschaftung der Gewächshäuser soll der Ackerschlepper unterstützen. Wir sind gespannt auf die ersten Möhren und seine weiteren Erfahrungen!