„Töten lernt man nie schnell“

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 05.03.2024

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Online-Veranstaltung zur teilmobilen Rinderschlachtung: Plädoyer und Anleitung für ein stressfreies Sterben.

Die Haltung der Gesellschaft zu Fleischkonsum wird kritischer. Nicht nur allgemeines Tierwohl steht dabei im Fokus der Aufmerksamkeit, auch der Akt des Tötens rückt zunehmend in den Vordergrund. Kritikpunkte an der Schlachtung gibt es viele: das Problem der Kälbertransporte, lange Wege zum Schlachthof, mangelnder Arbeitsschutz, Stress für die Tiere – welcher letztlich auch die Fleischqualität negativ beeinflusst. Um diesen Stress am Ende eines Tierlebens zu reduzieren und im Optimalfall sogar zu vermeiden, werden derzeit mobile und teilmobile Schlachtung als Chancen für die Zukunft erkannt.

Zur teilmobilen Schlachtung organisierte der Biokreis mit Unterstützung der Bio Rind & Fleisch EZG GmbH eine Online-Veranstaltung, bei der Andrea Fink-Keßler, Leiterin des Büros für Agrar- und Regionalentwicklung „Die Landforscher“, Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführerin des Verbandes der Landwirte mit handwerklicher Fleischverarbeitung vlhf e.V. und Expertin für mobile Schlachtung, sowie Flavio Traxl, Geschäftsführer der Bio Rind & Fleisch EZG GmbH und Vorstandsmitglied im Biokreis e.V., ihr Wissen teilten.

Bruststich für eine schnelle und hygienische Entblutung

Die teilmobile Schlachtung umfasst die Betäubung und Tötung vor Ort, das heißt am Hof, unter Verwendung einer mobilen Schlachteinheit. Die weiteren Schritte – Ausweiden, Enthäuten, Großzerlegung, Kühlung – erfolgen dann erst nach dem Transport in einem Schlachthaus. Für diese Art der Schlachtung hat das EU-Hygienerecht ein neues Kapitel aufgeschlagen: Eine Anmeldung der Schlachtung muss in diesem Fall drei Tage vorher stattfinden. Drei Rinder, drei Esel oder Pferde, sechs Schweine dürfen pro Schlachtvorgang getötet werden, wobei laut Andrea Fink-Keßler künftig sicherlich auch Paarhufer in teilmobiler Schlachtung erlaubt sein werden. Fixierung und Entblutung dürfen auch außerhalb der mobilen Einheit erfolgen. Weiterhin muss ein amtlicher Tierarzt anwesend sein. Schlachttieruntersuchung und Entblutezeitpunkt müssen in Begleitpapieren dokumentiert werden. Zwischen Betäubung und Stich dürfen maximal 60 Sekunden vergehen. Die Transportdauer darf zwei Stunden nach der Entblutung bis zur Ankunft im stationären Schlachthof nicht überschreiten.

Andrea Fink-Keßler zeigte sich vom Bruststich als favorisierte Art des Tötens gegenüber dem Halsstich überzeugt. Dabei werde sofort die Zufuhr zum Gehirn getroffen. Aus dem Publikum wurde eingeworfen, dass der Halsstich von Schlachtenden öfter praktiziert werde; viele beherrschten den Bruststich gar nicht. Dieser Handgriff müsse laut Andrea Fink-Keßler geübt werden. „Töten lernt man nie schnell.“ Mit dem Bruststich funktioniere die Entblutung am schnellsten. Überdies sei es sogar wahrscheinlich, dass der Bruststich Vorschrift werde. Flavio Traxl unterstützte diese Position: „Auf jedem größeren Schlachthof wird der Bruststich im hängenden Zustand durchgeführt. So lässt sich auch hygienisch arbeiten, da nicht
versehentlich die Speiseröhre mit angeschnitten werden kann.“

Schlachtung Schritt für Schritt im Video

In einem Video konnten sich die Teilnehmenden ein direktes Bild vom Akt einer teilmobilen Schlachtung machen. Diese fand auf einem Biohof direkt auf der Weide statt, wo man die mobile Einheit platziert hatte. Der Landwirt ruft und lockt in dieser Situation einen Jungbullen mit Schrot in einem Futtereimer in die Betäubungsfalle. Erst dann kommen der Tierarzt und der Traktor hinzu, mit dem der Bulle später in den Hänger gehoben wird. Der Bulle wirkt entspannt, frisst weiter, obwohl sich die Tür hinter ihm geschlossen hat. In einer roten Kiste vorne außerhalb des Fangrahmens befinden sich die Betäubungsapparate. Der Schlachter hat zwei Messer seitlich in einer Tasche. Das Rind wird mit dem Kopf in den Fangrahmen gelockt, wo es weiter aus dem Eimer frisst. Inzwischen wird eine Längsseite der Falle mittels einer Kurbel aufgezogen, wodurch der Bulle später herausgezogen werden kann.

Weiter Fleisch essen, weniger Fleisch essen, gutes Fleisch essen – dafür sprachen sich viele Teilnehmende an der Veranstaltung aus.

Nun streicht der Schlachter ihm über den Kopf, setzt dort schnell den Bolzenschuss, woraufhin der Bulle fällt. Nun geht alles sehr schnell, klare laute Anweisungen zwischen den Beteiligten begleiten die folgenden Schritte. An den Hinterbeinen zieht der Traktor das Tier hoch, der Bruststich lässt das Blut herausfließen, das in einem Eimer aufgefangen wird. Dabei kommt die Zwei-Messer-Technik zum Einsatz: Mit Messer eins werden Fell und Haut geöffnet, mit Messer zwei die herznahen Gefäße, so dass das Blut in einem großen Schwall und in nur wenigen Sekunden austritt. Nun wird der Schlachtkörper auf einen Anhänger gehievt und kann abtransportiert werden. Etwa eine Viertelstunde ist vergangen.

Problem: Wohin mit dem Schlachtkörper?

Wie ist das Tier gestorben? Das sei ein Thema, das künftig vermehrt an die Verbraucherschaft kommuniziert werden müsse, so Flavio Traxl. Doch mit dem Sterben ist es nicht getan. Denn das größte Problem entsteht danach: Zu welchem stationären Schlachthof kann der Körper gebracht werden? Viele mittelständische Schlachtunternehmen haben aufgegeben, eine flächendeckende Struktur ist heute nicht mehr vorhanden. Diese Frage muss regional individuell geklärt werden. Im Wirkungsbereich der Bio Rind & Fleisch EZG in Rheinland-Pfalz, dem Saarland, in Hessen und Süd-NRW werden die Schlachtkörper innerhalb von zwei Stunden zu einem der kooperierenden Schlachthöfe gebracht. Dabei wird ein handelsüblicher Anhänger mit zweitem Boden genutzt, auf dem Restblut aufgefangen werden kann, überspannt mit einer Folie.

Flavio Traxl zeigt auch ein Beispielangebot für die Durchführung einer teilmobilen Schlachtung, an deren Ende ein Betrag von 435 Euro steht. Jede Schlachtung erfordert eine individuelle Kostenaufstellung, die je nach Fahrtkosten, Honoraren für veterinärmedizinisches Personal und anderen Faktoren variieren kann. Das besondere Qualitätsmerkmal der teilmobilen Schlachtung wirke sich natürlich auch auf den Preis aus. Trotzdem sieht Flavio Traxl eine Endverbraucherschaft, die man hiervon überzeugen könne. Weniger Fleisch essen, aber genauso viel dafür ausgeben wie für den bisherigen Konsum: So laute die Devise für die Zukunft. Außerdem sei ein Grundgedanke für künftige Vermarktung, alles zu verwerten, beispielsweise auch die Knochen für Suppen zu verwenden und letztere
als Fertigprodukte auf den Markt zu bringen.

Für eine bessere Mensch-Tier-Beziehung

Weiter Fleisch essen, weniger Fleisch essen, gutes Fleisch essen – dafür sprachen sich viele Teilnehmende an der Veranstaltung aus. Für die Zukunft stellte Andrea Fink-Keßler sogar eine Wunschliste vor, die es in der Fleischerzeugung gelte abzuarbeiten:

  • Aufhebung der Entkoppelung von Milch- und Fleischerzeugung
  • Neujustierung in Zucht und Praxis zu Grundfutterverwertung und Geländegängigkeit
  • Weidehaltung für alle Rinder
  • artgerechte Ernährung (Gras/Raufutter) für die Erhaltung der Gesundheit und die Erbringung von Ökosystemleistungen
  • muttergebundene Kälberaufzucht
  • bessere Bewertung der EU-Handelsklassen für die Färsen- und Ochsenmast
  • regionale und handwerkliche Schlachtung
  • Vermeidung von Stress und Lebendtiertransporten durch hofnahe Schlachtung
  • ausreichende Reifung
  • nose to tail: Verwertung des gesamten Tieres
  • faire Preise und Löhne für Halter:innen

Im Zentrum der Bemühungen solle eine bessere Mensch-Tier-Beziehung stehen. Hierfür bieten sich auch Low-Stress-Stockmanship-Kurse an, bei der ein guter Umgang mit Rindern trainiert werden kann. Eine Teilnahme am Schulungsangebot der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) legte auch Biokreis-Beraterin Katharina Loibl den Landwirt:innen ans Herz.
„Die Herangehensweise ist bei der teilmobilen Schlachtung weniger instrumental als im Schlachthof“, fasste Andrea Fink-Keßler zusammen. „Sie erfordert eine bessere Mensch-Tier-Beziehung.“

Neben der teilmobilen erfolgt auch bei der vollmobilen Schlachtung und beim Kugelschuss auf der Weide eine Tötung ohne vorangehenden Lebendtransport. Für den Weideschuss sind umfangreiche Genehmigungen notwendig, und auch für die vollmobile Schlachtung, in der alle Schritte bis zur Freigabe für den menschlichen Verzehr am Hof stattfinden, gibt es aktuell in Deutschland nicht einmal eine Handvoll Zulassungen.

Die Wissenstransfer-Veranstaltung ist Teil des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖL), initiiert und finanziert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

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Ronja Zöls-Biber

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktionsleitung BioNachrichten