Die dunkle Seite der Volksfeste

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 29.08.2023

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Fleisch aus Massentierhaltung ist auf Großveranstaltungen weitgehend akzeptiert. Biokreis-Landwirt Christoph Bachmaier möchte sein Bio-Ochsenfleisch genau hier unter die Leute bringen.

Rund 50 Ochsen weiden auf Christoph Bachmaiers Grünland im oberbayerischen Ebersberg – von klein bis groß. Zwei Ammenkühe gehören zur Herde, die Kälber werden stets vom gleichen Betrieb gekauft, der zehn Kilometer entfernt liegt. So lassen sich Krankheiten weitgehend vermeiden – Medikamentengaben auch. Drei Monate trinken die Kälber bei der Kuh, im Winter bekommen sie viel Heu, stehen in einem neuen tiergerechten Stall. 28 bis 29 Monate dürfen sie wachsen. Dann werden sie zum zehn Kilometer entfernten Metzger gebracht. So stellt man sich gute Tierhaltung vor. In den umliegenden Wirtshäusern, wohin Christoph Bachmaier sein Fleisch vermarktet, sind viele Gäste bereit, einen entsprechenden Preis für den Ochsenbraten zu zahlen. Doch auf den zahlreichen Volksfesten in Bayern werden Tierwohl und Klimaschutz bisher nicht allzu groß geschrieben…

„Ich habe versucht, mein Ochsenfleisch auf dem Oktoberfest zu platzieren, das ja auch bekannt ist für seine Ochsenbraterei“, erzählt Biokreis-Bauer Christoph Bachmaier, „vergeblich. Die verantwortlichen Festwirte, mit denen ich gesprochen habe, zeigten keinerlei Interesse.“ Und auch bei kleineren Volksfesten waren seine Bemühungen erfolglos. Die Ursache sieht er in der fehlenden Nachfrage nach Bio-Fleisch auf Volksfesten aufgrund des völlig überzogenen Preises, der beispielsweise auf dem Oktoberfest dafür verlangt wird.

Oktoberfest als Leuchtturmprojekt?

Eine halbe Bio-Ente für 53 Euro: Diese Schlagzeile ging im vergangenen Jahr durch sämtliche Medien. Und 2023 Jahr folgte die Forderung des Bündnisses Münchner Initiative Nachhaltigkeit (MIN), bis zum Jahr 2035 das größte Volksfest der Welt 100 Prozent biologisch zu veranstalten. Das Oktoberfest solle damit ein Leuchtturmprojekt der Ernährungswende werden. Ein medialer Aufschrei folgte. Für die meisten würde ein Wiesn-Besuch damit unbezahlbar werden… „Ich kann die Kritik zwar nachvollziehen, aber man muss ehrlich sein: Die ärmeren Bürger:innen können sich schon jetzt keinen Wiesn-Besuch leisten“, sagt Helmut Schmidt, Mitglied im Koordinierungskreis von MIN. Eine Maß für rund 13 Euro, ein halbes Hendl für 14 Euro… Dieses Vergnügen sei ohnehin nur einer kaufkräftigen Verbraucherschaft vorbehalten.

Insgesamt müssten die Menschen wieder mehr Sinn für die Qualität von Lebensmitteln entwickeln. Tierwohl, Biodiversität, Klimaschutz, Fairness und gesunde Ernährung: Besonders vor dem Hintergrund, dass die Bio-Stadt München bis 2035 klimaneutral werden soll, sollten diese Forderungen auch auf Großveranstaltungen Eingang finden und Bio-Anteile sukzessive festgesetzt werden. Grundsätzlich würden nur die Zelte nach strengen Regeln vergeben. Woher die Ware kommt, sei Sache der Wiesnwirt:innen. Allerdings bekommen jene, die Bio-Fleisch anbieten, bei der Bewerberauswahl mehr Bonuspunkte. Somit sollten an Lieferungen interessierte Landwirt:innen auch mit diesen in Kontakt treten.

Fleischkonsum auf der Wiesn 2022
313.636 Brathendl, davon 35.333 in Bio-Qualität
524.019 Bratwürste, davon 43.750 in Bio-Qualität
80.023 Schweinshaxen, davon 1972 in Bio-Qualität

Quelle: AZ München

Hohe Preise kommen in der Landwirtschaft nicht an

„Um bei den Gästen allerdings Akzeptanz und Nachfrage zu generieren, gilt es, überzogene Preise zu vermeiden“, sagt Helmut Schmidt entschieden. Eine Teilforderung des Bündnisses mit mehr als 30 Partnern laute daher auch, Preise fair zu kalkulieren, „und die halbe Bio-Ente für 53 Euro war nicht fair!“ Ein Hendl in Bio-Qualität dürfe laut Berechnungen maximal vier Euro teurer sein als ein konventionelles. In die strengen Vorgaben für das Oktoberfest müsse das hineinformuliert werden.

Landwirt Christoph Bachmaier kritisiert vor allem, dass kaum etwas von den hohen Preisen in der Landwirtschaft ankomme. Er rechnet vor: Ein 400 Kilogramm schwerer Ochse bringe rund 250 Kilogramm Fleisch. Ein Bio-Ochse bringe 300 Euro mehr als ein konventioneller; das bedeutet etwas über einen Euro mehr pro Kilo. Eine Portion Ochsenfleisch dürfte demnach dem Gast nur 20 bis 50 Cent mehr kosten. Grundsätzlich könne man aber auch den geringen Aufschlag für ihn als Landwirt in Frage stellen, denn Milchfütterung, Öko-Kontrolle und Schlachtung mit geringerer Stückzahl seien teurer, außerdem sei ein konventioneller Bulle im Gegensatz zum Bio-Bullen in nur 16 Monaten schlachtreif.

Bio-Fleisch erklären!

Für Christoph Bachmaier wäre die beste Option, auf einem Volksfest Rindfleisch, das dort ohnehin eine Nische sei, ausschließlich in Bio-Qualität anzubieten und das Produkt auch zu erklären. Ein starkes Argument sei neben Tierwohl auch der Erhalt des Grünlands und der bayerischen Kulturlandschaft. Laut Helmut Schmidt müssten die Speisekarten entsprechend gestaltet, Bio-Produkte prominent platziert und Qualität, Tierwohl und Artenschutz herausgestellt werden. „Wer hierfür nicht zugänglich ist, kann sich ja dann immer noch für das konventionelle Hendl entscheiden“, sagt Christoph Bachmaier trocken.

Auf dieses machte MIN im Rahmen des Projekts Faire Wiesn im vergangenen Jahr bei der Aktion „Hendlsauerei“ aufmerksam, an der unter anderen die LVÖ und die AbL beteiligt waren. Auf dem Marienplatz wurden an drei Tagen „the dark side of the Wiesn“ gezeigt und die Missstände des Oktoberfestes wie Fleisch aus Massentierhaltung, unfaire Löhne, Preise und Arbeitsbedingungen angeprangert. Helmut Schmidt: „Wenn die Volkfest-Gäste die Haltungsbedingungen in der indus-
triellen Tierproduktion, die Antibiotika-Gaben und die prekären Arbeitsverhältnisse, insbesondere in den Schlachthöfen, sehen würden, würde ihnen sowieso der Appetit vergehen!“

Ende Juni fand ein Runder Tisch zum Thema „Nachhaltige Großveranstaltungen“ statt, in der sich mehr als 30 Organisationen und Verbände zusammenfanden. Helmut Schmidt spricht von einem sehr konstruktiven Gespräch, das in einen weiteren Dialog übergehen soll. Was Bio auf der Wiesn angeht, sind
die Wirt:innen jedoch der Meinung, dass die Nachfrage entscheiden wird.

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Ronja Zöls-Biber

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktionsleitung BioNachrichten