Vom Bruststich bis zum Stempel …

Von Gastautor:in | Gepostet am 24.08.2023

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(Teil-)mobiles Schlachten auf dem Hof ist gut fürs Tierwohl – aber bleibt eine Herausforderung.

Herbst 2022 – die EU-Vorschriften sind endlich gültig, mobiles und jetzt auch teilmobiles Schlachten werden möglich gemacht. Wir auf dem Klosterhof Bünghausen in Gummersbach (NRW) haben uns auf den Weg gemacht, die neuen Möglichkeiten umzusetzen. Zum Wohle der Tiere, aber auch zu unserem Wohle. Doch: So einfach ist es nicht, die ersten Schlachttermine wurden abgesagt, die bürokratischen Hürden sind hoch…

Zur Vorgeschichte auf dem Klosterhof: Rund zehn Jahre hatten wir schon auf dem Hof „mobil“ geschlachtet. Das hieß konkret: Der Metzger kam mit einem zugelassenen Schlachtmobil auf den Hof, hier wurden die Tiere getötet und dann von diesem Metzger nach der Kühlung im Kühlwagen hier auf dem Hof weiter verarbeitet. Die Kooperation allerdings mussten wir beenden und waren froh, dass seit Herbst 2022 der (teil-)mobilen Schlachtung ein gesetzlicher Rahmen durch die EU gegeben wurde.

Vorschriften

Unter teilmobiler Schlachtung versteht man heute, wenn das Tier auf dem Hof getötet und dann zu einer zertifizierten Schlachtstätte zur Weiterverarbeitung gefahren wird. Die Tötung kann auf zwei Arten geschehen: als Weideschuss mitten aus der Herde oder im beziehungsweise am Stall in einer vom Veterinäramt genehmigten Fangeinrichtung. Weideschuss war für uns kein Thema, da wir nicht erleben wollten, dass ein Fehlschuss einem Tier Schmerzen zufügt, von denen wir es eventuell nicht sofort befreien können. Bei uns soll weiterhin im Stall geschlachtet werden, im gewohnten Umfeld und ebenfalls aus der Herde heraus. Per Bolzenschuss würde das Tier betäubt und dann folgt die Entblutung.

Eine mobile Schlachtung ist erst dann gegeben, wenn die genehmigte Schlachtstätte – das können ein Lkw sein, ein Absetzcontainer oder auch ein Sattelzug – auf dem Hof stationiert ist und dann auch das Rind auf dem Hof zumindest grob zerlegt wird. Da die modernen mobilen Schlachtstätten alle recht groß sind, ist die Variante des teilmobilen Schlachtens ideal für alle Höfe, die beengte Zufahrten haben und wenig Platz – also auch für den Klosterhof Bünghausen.

Verordnungs-Fehler: keine Schafe und Ziegen

Eine teilmobile Schlachtung wird heute nur für eindeutig definierte Tierarten erlaubt, nämlich für Rinder, Schweine und Pferde. Alle anderen Tierarten sind nicht genannt. Ein echtes Versäumnis der EU, so müssen besonders alle Schaf- und Ziegenhaltende weiter ihre Tiere durch die Gegend fahren oder das Schlachthaus auf den Hof bestellen, was aber genügend Platz voraussetzt, der gerade bei Halter:innen kleiner Wiederkäuer oft fehlt. Übrigens: Eine teilmobile Schlachtung kann in Kooperation mit einer mobilen Schlachtstätte wie bei uns geplant ebenso funktionieren wie in Kooperation mit einer stationären Schlachtstätte. Doch nicht jeder Schlachtbetrieb will bereits getötete Tiere annehmen.

Vorkosten: Investition notwendig

Wenn die Voraussetzungen für Rinder also erfüllt sind, braucht es zum Töten noch eine Fixier-Vorrichtung im Stall – dafür genügt ein Fanggatter, was eigentlich in jedem Betrieb vorhanden sein sollte. Zum Transport des getöteten Rindes braucht es eine amtlich zugelassene Transport-Einheit. Dieser Hänger benötigt eine Blutauffangwanne, Gitterroste im Boden, eventuell noch einen Schragen, damit das Tier nicht auf dem Boden im möglichen Kot liegt, und so einiges mehr. So etwas kann man selbst schweißen oder kauft einen entsprechenden Anhänger – Kosten ab 15.000 Euro aufwärts, je nach Hersteller und Wünschen. Das rechnet sich für kleinere Betriebe kaum. Wir haben investiert, weil wir unbedingt auf dem Hof schlachten wollen. Aber jetzt können sich auch andere Betriebe in der Region bei uns den Transport-Trailer leihen. Nach der Zulassung durchs Veterinäramt sind auf Seiten der Landwirtschaft damit alle Anforderungen erfüllt.

Bürokratie: Aufwand pro Schlachtung enorm

Unser Schlachter Sergej Korotkich von der Kölner Bio-Fleischerei hatte mittlerweile ebenso alles Notwendige getan. Das Veterinäramt in Köln hat die mobile Schlachtstätte zertifiziert. Den in eineinhalb Jahren umgebauten Sattelschlepper haben sich fast alle Veterinärämter der Region angeschaut. Schließlich muss jedes Amt vor Ort die Schlachtungen akzeptieren; da ist ein gehöriges Maß an Neugier verständlich. Die teilmobile Schlachtung könnte funktionieren: Das jeweilige Rind sollte von einem befreundeten Metzger aus dem Nachbarort getötet, von mir auf den Transporttrailer per Frontlader gehoben werden. Dann bleiben gesetzlich vorgeschriebene zwei Stunden Zeit, den Sattelschlepper von Sergej Korotkich zu erreichen.

Problem Halsstich

Jetzt das Aber: Die Vorschriften besagen nicht nur, dass diejenigen, die töten sollen, einen Sachkundenachweis dafür haben müssen (das ist zwar Bürokratie, aber leicht zu erfüllen), die EU-Verordnung schreibt auch noch die Art des Tötens vor: Bruststich. Bei uns in der Region aber praktizieren die Metzger den Halsstich. Alle befragten schlachtenden Metzger haben abgewunken: Bruststich machen sie nicht. Also käme Sergej Korotkich zu uns auf den Hof, tötet per Bruststich, und dann fahren wir gemeinsam eine Stunde zu seiner mobilen Schlachtstätte – das ist unnötiger und kostentreibender Aufwand, der dem Tierwohl nicht wirklich Vorteile bringt.

Viele Partner sind zu koordinieren

Bei der teilmobilen Schlachtung muss ein:e Veterinär:in die ganze Zeit dabei sein. Vom Zeitaufwand ist das meist überschaubar, allerdings verlangt dies erheblichen Koordinationsaufwand. In unseren Regionen übernehmen die Fleischbeschau freiberufliche Tierärzt:innen, die auch mal etwas anderes zu tun haben. Insgesamt also müssen terminlich zusammenpassen: Schlachttag sowie extern schlachtendes und tierärztliches  Personal – was nur mit gutem Willen von allen Seiten funktioniert. Dazu kommt: Die Schlachtung ist beim zuständigen Veterinäramt zu beantragen (die Antragsbewilligung kostet auch wieder Gebühren) und mindestens drei Tage vorher mit dem Veterinär abzusprechen.

Das alles haben wir mühselig und mit starker Unterstützung unseres Veterinäramtes geregelt. Wenn das Amt mitzieht, ist die teilmobile Schlachtung zwar aufwändig, aber realisierbar. Und doch musste unser erster Schlachttermin abgesagt werden. Denn immer noch scheint ungeklärt, welches Veterinäramt denn nun die geschlachteten Tiere abstempelt, wenn der Schlachtsattel nicht im gleichen Landkreis steht. Und ohne Stempel kein Verkauf. Also haben wir dann doch im Sommer mal wieder stationär geschlachtet, hoffentlich zum letzten Male.

Gastautor:in

Peter Schmidt

Biokreis-Landwirt