“Die Rinder sind unsere Kinder”

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 31.01.2024

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Juliane Thiele ist erfolgreiche Landwirtin und Chefin eines mehrköpfigen Teams. Doch im Privatleben musste sie dafür immer wieder zurückstecken.

Wenn Juliane Thiele (38) am Steuer eines Traktors zusammen mit den Männern durch die Straßen tuckert, schauen ihr die Menschen immer noch neugierig hinterher. „Du fährst Traktor?“ Diese Frage hat sie auch bei Besuchen von Schulklassen auf ihrem Betrieb schon oft gehört. „In den Augen anderer ist das was Besonderes“, sagt die Biokreis-Landwirtin, „ich kenne es nicht anders.“

Die Glambecker Rinderhof GmbH im Löwenberger Land (Brandenburg) hat Juliane vor zwei Jahren vom Vater Erhard Hinz übernommen. Ihre zwei älteren Brüder entschieden sich schnell für andere Berufe, sie für ein landwirtschaftliches Studium. „Diese Entwicklung war früh abzusehen. Während ich im Stall war, waren meine Brüder an anderer Stelle – nicht am Hof“, erinnert sie sich. Als Tochter des Chefs einen 1200-Hektar-Betrieb mit einigen Angestellten zu führen, war anfangs nicht einfach. Das familiäre Verhältnis, das sie zu den Mitarbeitenden pflegte, vertrug sich manchmal nicht gut damit, dass man als Chefin eben nicht immer mit jedem Freund sein kann. Doch mit der Zeit verschaffte sie sich Respekt – und hielt trotzdem am familiären Klima fest. „Frauen reden tendenziell mehr als Männer. Das kam mir zugute. Wenn ich frage ‚Wie war dein Tag?‘, ‚Was können wir verbessern?‘ oder ‚Setzen wir uns an einen Tisch und besprechen das Problem?‘, kostet das Zeit, aber es lohnt sich“, sagt Juliane. Sie legt auch Wert auf gemeinsame Mahlzeiten und Team-Veranstaltungen.

Chefin vom Ehemann? – Kein Problem

Zeit – das ist in ihrem Leben der begrenzende Faktor. Der Betrieb mit 150 Milchkühen und 160 Mutterkühen verlangt einem viel ab. „Die Rinder sind unsere Kinder“, sagt Juliane. An eigenen Nachwuchs trauten sie und ihr Mann Christian Thiele sich deshalb nicht heran. Nach dem Generationenwechsel
sei sie nur zum Schlafen daheim im fünf Kilometer entfernten Nachbarort gewesen. Wo sollte da noch Zeit sein für ein Kind? „Ich habe meine volle Power in den Betrieb gesteckt. Ein Jahr pausieren? Das wäre auch jetzt noch schwierig.“ Ein Rückblick auf die eigene Kindheit zeigt: Der Papa war nicht viel da, die Mama immer. Sie hat sich um die Kinder und den Haushalt gekümmert. Als vollbeschäftigte Frau bräuchte man für die Situation, dass beide Partner im Betrieb arbeiten, Hilfe für den Haushalt – und auch für die Kinder? „Das Thema ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Juliane offen.

Zwei Kälbchen im Stroh
Bild: Juliane Thiele

Julianes Mann Christian ist ebenfalls im Betrieb angestellt und verantwortet den Bereich Ackerbau. Auf
dem Hof haben sie sich kennen gelernt. Dass sie die Chefin wird, war von Anfang an klar und kein Problem für den Landwirt. Doch der Betrieb ist Gesprächsthema – beim Frühstück und beim Abendbrot. „Wir werden als Team angesehen, aber auf dem Papier bin ich die Chefin“, sagt Juliane und lächelt. Unterstützung bekommt sie mittlerweile auch von Bruder Thomas Hinz. Er kümmert sich als zweiter Geschäftsführer um die Verwaltungsaufgaben und bildet damit den Gegenpol zu Praktikerin Juliane. Auch
im Alltag greifen ihr immer wieder Männer unter die Arme, wenn beispielsweise schwere Dinge bewegt werden müssen. Vor wichtigen Entscheidungen zieht Juliane immer noch den Vater und erfahrenere Kolleg:innen zu Rate und ist froh um den Beistand der älteren Generation. Doch sie ist mit der Zeit sicherer geworden, kann vieles auch allein entscheiden.

„Meine Position bringt mir sicherlich den Vorteil einer gewissen Entscheidungsfreiheit und finanziellen
Sicherheit, die manche Frauen so nicht spüren, aber Neid ist unnötig“, sagt Juliane. „Viele wissen nicht, worauf sie neidisch sind.“ Feierabend habe sie eigentlich nie, und Urlaub sei für sie, über den Hof zu gehen und zu sehen, dass es Menschen und Tieren gut geht. Was sie sich für die Zukunft wünscht? „Schon für die Ehefrauen von Landwirten ist es schwer, die vielfachen Belastungen von Betrieb, Haushalt
und Kindern unter einen Hut zu bekommen. Ich würde mir wünschen, dass das für Frauen leichter wird. Ich zumindest habe als Betriebsleiterin bisher keinen Weg gesehen für eigene Kinder.“

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Ronja Zöls-Biber

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktionsleitung BioNachrichten