Mit der Drohne auf Rehkitzsuche

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 30.09.2024

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Felix Krauß lässt sein Kleegrasfeld im Frühjahr aus der Luft unter die Lupe nehmen.

Als „katastrophale Erfahrung“ bezeichnet Felix Krauß den Moment, wenn man im Frühjahr auf dem Traktor sitzt und plötzlich merkt, dass man beim Mähen ein Rehkitz erwischt hat. Die Deutsche Wildtierstiftung geht davon aus, dass jährlich zwischen 50.000 und 100.00 Rehkitze den sogenannten Mähtod sterben. Der Schutz von Rehkitzen, die in den ersten zwei Wochen nach ihrer Geburt bei einer Gefahr nicht fliehen, sondern zusammengekauert liegen bleiben, war immer schon ein großes Thema auf dem Biokreis-Betrieb Halmlehen in Niederbayern. „Kitze liegen gerne im Kleegras. Und da wir als extensiv wirtschaftender Betrieb immer später dran sind mit dem Mähen, legen sich die Tiere besonders gerne in unser noch dazu pestizidfreies Feld“, erklärt er. Stets ging er vor der Mahd mit Jäger und Hund durch die sieben Hektar – und trotzdem gab es immer wieder Verluste. Doch seit etwa fünf Jahren nutzt Felix Krauß eine neue Technik: den Einsatz von Drohnen in Kombination mit Wärmebildkameras. Hierfür engagiert er einen professionellen Drohnenpilot – und hat innerhalb einer Stunde Sicherheit, ob und wo in seinem Kleegras ein Kitz sitzt.

Schon beim ersten Drohnenflug entdeckten die Drohnenpiloten drei Kitze, die auf dem Feld, wo sie mehr Wärme bekommen als im Wald, schliefen. Die Wärmebildkamera erfasst von oben schnell, wo es einen Unterschied von Körper- und Umgebungstemperatur gibt. Um diese Differenz so deutlich wie möglich zu machen, wird möglichst um 5 Uhr früh geflogen. Wird ein Punkt gefunden, wird dieser angepeilt. Manchmal sitzen Hasen im Feld, manchmal wird sogar ein Maulwurfshügel identifiziert. Doch immer wieder kauert ein Rehkitz versteckt im hohen Gras. Dann läuft eine Person hinein und setzt das Kitz mit Handschuhen in eine geruchslose Kiste. „Die Mutter steht meist irgendwo am Rand und beobachtet, was passiert“, weiß Felix Krauß. Das Junge bleibt in der Kiste, bis das Feld abgemäht ist. Danach wird es befreit und läuft zurück zum Fundort oder in die nächste sichere Deckung.

Rehe gestalten Lebensraum

Auch wenn Rehe oftmals nur als „Waldschädlinge“ betrachtet werden, sind sie dennoch ein wichtiger Bestandteil der Ökosysteme. Keimfähige Samen von Bäumen und Sträuchern werden zwischen den Hufen, im Fell und auch durch die Verdauung über weite Strecken transportiert. In den Ausscheidungen von Wiederkäuern leben Insektenarten, die wiederum vielen Vogelarten als Nahrung dienen. Paarhufer gestalten Lebensraum – und tragen so zur Biodiversität bei. Landwirt:innen sind rechtlich dazu verpflichtet, für den Schutz der Rehkitze zu sorgen. Ein Unfall ist jedoch auch für den Betrieb problematisch. Denn verunreinigtes Futter kann ganze Herden töten. Optische und akustische Vergrämungsmaßnahmen sind bei noch liegenden Kitzen nicht zielführend. In diesem Jahr waren die Kitze auf Felix Krauß` Feld bereits so groß, dass sie wegliefen, als er mit dem Jäger hindurch ging. Sie waren nicht mehr zu erwischen. So fing der Bio-Bauer erst gar nicht an mit dem Mähen, sondern ließ die sieben Hektar als Brache liegen. „Das war natürlich nur möglich, weil ich genügend andere Flächen zur Verfügung habe“, erklärt er.

„Hier geht nicht alles auf einmal verloren – und viele Tiere und Insekten bleiben am Leben.“

Schleichende Doppelmessermähwerke

Gut für die Insekten, aber schlecht für die Rehe seien Doppelmessermähwerke, die auch auf dem Betrieb Halmlehen im Einsatz sind. „Sie schleichen leise heran“, warnt Felix Krauß. „Selbst Kitze, die schon weglaufen könnten, werden dann mitunter zu spät aufmerksam.“ Beim Mähen komme es auch auf die Geschwindigkeit an. Bei 4,5 Kilometer pro Stunde könnten Tiere noch fliehen. Fährt eine Maschine dagegen mit 20 Kilometer pro Stunde durch den Acker, erwische es sogar erwachsene Rehe. Mit dem Wildwarner ausgestattet gelinge es meist, dass Rehe, Fasane und Hasen noch aus dem Feld gehen. Eine Technologie, die sich gerade noch in der Entwicklung befinde und die Felix Krauß für zukunftsfähig hält: die Drohne, die dem Traktor voranfliegt und warnt, wenn ein Lebewesen im Gras verborgen ist. So könne man etwa auch Katzen schützen. Die noch sanftere Alternative: Weidehaltung. „Hier geht nicht alles auf einmal verloren – und viele Tiere und Insekten bleiben am Leben.“

Für die professionelle Drohnensuche bezahlt Felix Krauß rund 80 Euro netto pro Stunde für zwei Personen, die die Suche und Bergung übernehmen. In diesem Jahr gab es eine Förderung für die Anschaffung einer Drohne. Förderungsberechtigt waren Kreisjagdvereine e.V. oder andere eingetragene Vereine auf regionaler oder lokaler Ebene, die laut ihrer Vereinssatzung hauptsächlich in der Wildtierrettung, insbesondere in der Rehkitzrettung, tätig sind. Für dieses Jahr sind jedoch laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft keine weiteren Antragszeiträume geplant.
Infos unter: www.ble.de/DE/Projektfoerderung/Foerderungen-Auftraege/Rehkitz/Rettung_node.html

Seht Euch das vollständige Video auf youtube.com unter folgendem Link an:
https://youtu.be/rFvDI1Msm-Y?feature=shared

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Ronja Zöls-Biber

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktionsleitung BioNachrichten