Roboter auf dem Acker
An der LfL in Ruhstorf an der Rott testen Wissenschaftler:innen Pflanzenbausysteme der Zukunft.
Wir stehen in der Senke eines kleinen Tals am Rande des niederbayerischen Marktes Ruhstorf an der Rott. Vor uns ziehen sich die Reihen einer Mais-Monokultur scheinbar endlos den Hügel hinauf. Gegenüber sieht es ganz anders aus. Auf einer hängigen Fläche von zwölf Hektar fügen sich 15 Meter breite Streifen unterschiedlicher Kulturen übereinander, durchsetzt von sogenannten Beetle-Banks, Blühstreifen, welche die Biodiversität in dieser Kleinteiligkeit noch erhöhen sollen. Was hier in Spektrum und Vielfalt dem eintönigen Status-quo auf der anderen Seite gegenübersteht, gehört zu einem Forschungsprojekt der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und der Universität Passau. „Future Crop Farming – Pflanzenbausysteme der Zukunft“ ist der Titel des Vorhabens, welches das Ziel verfolgt, die Produktion hochwertiger Nahrungsmittel und Rohstoffe mit den im Ackerbau steigenden Anforderungen zum Schutz von Boden, Klima, Wasser und Biodiversität zu verknüpfen.
„Future Crop Farming – Pflanzenbausysteme der Zukunft“
Kleine Schläge fördern die Biodiversität – dies belegen inzwischen zahlreiche Studien. Doch mit kleinen Schlägen ist ein erhöhter Arbeitsaufwand verbunden. Um diesen auszugleichen, versucht man sich hier auf dem Versuchsacker der LfL mit Agrarrobotik und Digitalisierung zu helfen. „Die Herausforderungen sind dabei aktuell: Genauigkeit, Stabilität und Resilienz“, erklärt Standortleiter Dr. Markus Gandorfer, der uns gemeinsam mit Dr. Beat Vinzent, Spezialist für Digitalisierung und Agrarrobotik im Pflanzenbau, das System zeigt und erklärt. „Das Versprechen der Robotik lautet, dass sie die Kleinräumigkeit wieder ermöglichen und damit einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten kann“, so Beat Vinzent. „Damit könnten in Zukunft neue und arbeitsaufwändigere Pflanzenbausysteme aufs Feld gebracht werden.“
Erosionsminderung und Artenschutz
Auf dem Versuchsfeld reihen sich die sieben Kulturen Mais, Soja, Lupine, Rübe, Winterweizen, Winterroggen und Wintergerste in insgesamt 105 Metern aneinander und werden anschließend mit einem sechs Meter breiten Blühstreifen vom darauffolgenden Versuchsblock abgegrenzt. Die Beetle Banks betragen circa fünf Prozent der Ackerfläche. Auf dieser wiederholt sich die Abfolge sechs Mal. Die Kulturen werden nicht ökologisch bewirtschaftet, sondern mit dem Ziel einer Pflanzenschutzmittelreduktion. Die erste Phase des seit drei Jahren laufenden Projekts ist bereits beendet. Ohne zum jetzigen Zeitpunkt Zahlen nennen zu wollen, können jedoch schon erste Schlüsse gezogen werden. „Wir verzeichnen auf jeden Fall große Erfolge bei der Erosionsminderung und positive Effekte im Hinblick auf die Biodiversität“, fasst Beat Vinzent zusammen. Für Letztere seien vor allem die Kleinräumigkeit und die Übergangsbereiche besonders wertvoll.
Unter einem Dach am Rande des Ackers stehen die Roboter, die vor Ort die Bearbeitung übernehmen. „Wir setzen ausschließlich Technologien ein, die marktverfügbar sind“, betont Markus Gandorfer. Erstes Thema dabei ist die Unkrautregulierung. Der solarbetriebene Farmdroid FD20, der seit 2020 auf dem Markt ist, fährt zwischen Saat und Reihenschluss wöchentlich mit einem Kilometer pro Stunde durch den Acker, um das Beikraut zu entfernen. In der Praxis wird er auch noch im Kräuter- und Arzneimittelanbau eingesetzt. Ein Tieflader bringt ihn dorthin, wo er fahren soll. Am PC werden mittels eines Planungstools die Abstände eingemessen. „Auch wenn dies ein einmaliger Aufwand ist, darf man trotzdem nicht außer Acht lassen, dass ein Agrarroboter nicht wie ein Staubsauger- oder Rasenmäher-Roboter funktioniert. Man muss sich wirklich damit beschäftigen“, mahnt Markus Gandorfer. Meist sei in der Landwirtschaft diese Zeit ein knapperer Faktor als das Geld. „Und wenn was nicht funktioniert, sind Bäuerinnen und Bauern schnell versucht, wieder zur herkömmlichen Technik zurückzugehen.“
Zielkonflikt zwischen Schlagkraft, Arbeitsqualität und Komplexität
Dennoch: In Bayern fahren rund 50 Farmdroids auf den Äckern, während weltweit laut der Plattform Future Farming bis 2023 nur etwa 4000 Feldroboter verkauft wurden. Denn im Freistaat gibt es ein interessantes Förderprogramm, welches den Kauf des 100.000 Euro teuren Roboters zu 40 Prozent fördert. Etwa 90 Prozent der Landwirt:innen, die diese Förderung bisher in Anspruch genommen haben, sind Öko-Bauern und -Bäuerinnen. „Die Technik funktioniert solide“, sagt Beat Vinzent, der selbst Bio-Bauer ist, und erklärt, warum diese auch den Ökolandbau fördert. „Ein Hauptgrund für Rückumstellungen ist das Problem der Unkrautbekämpfung mittels Handarbeitskräften. Hier kann ein Agrarroboter sicherlich entgegenwirken. Auch anderen umstellungswilligen Betrieben kann damit gezeigt werden, welche neuen Möglichkeiten es gibt.“
Trotzdem setzen Beat Vinzent und Markus Gandorfer sich kritisch mit der Agrarrobotik auseinander. Sie sei zum einen nicht endlos nach oben skalierbar. Andererseits brauchen die Geräte ein gewisses Gewicht und genügend Power, zudem eine ausreichende Mobilfunknetzabdeckung. Auch hier auf dem Versuchsacker können nur acht der vorgesehenen zwölf Hektar bewirtschaftet werden, da Teilflächen mit dem Roboter nicht befahrbar seien. Noch bringen Roboter nicht die arbeitswirtschaftlichen Vorteile, die die Nachteile der Kleinräumigkeit ausgleichen könnten. Die Einsatzmöglichkeiten seien überdies beschränkt. Im Wirtschaftsdüngermanagement, bei der Ernte von klassischen Feldfrüchten oder der Ausbringung von umweltrelevanten Pflanzenschutzmitteln seien sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht realisiert. „Den Fahrer oder die Fahrerin als Überwachende des Anbaus zu ersetzen, funktioniert momentan nicht“, so Beat Vinzent. Man befinde sich grundsätzlich in einem Zielkonflikt zwischen Schlagkraft, Arbeitsqualität und Komplexität und am Beginn einer ergebnisoffenen Entwicklung. Wie sieht der Roboter der Zukunft aus? Wird er ein Traktor mit entsprechender Ausstattung sein? Viele Fragen seien offen.
Faktor für Strukturwandel?
Eine weitere Frage: Können Agrarrobotik und Digitalisierung in bäuerliche Strukturen integriert werden? „Ich denke, der Melkroboter brachte den bäuerlichen Strukturen und Familienbetrieben mehr Flexibilität. Bei mehr als der Hälfte der Neubauten von Milchviehställen sind Melkroboter integriert“, gibt Markus Gandorfer zu bedenken. Als wesentlichen Faktor für den Strukturwandel sehe er die neuen Technologien nicht. Auch die Investition sei verglichen mit anderen landwirtschaftlichen Maschinen nicht unverhältnismäßig. Der Agxeed Agbot, der hier ebenfalls am Rande des LfL-Versuchsackers steht, verkörpert ein Universalkonzept und kann den Traktor ersetzen. Die vielseitige Funktionsfähigkeit kann auf dem Acker sowohl die Aufgaben anderer Maschinen als auch der Fahrenden ersetzen. Noch ist die Nutzungsdauer von Agrarrobotern jedoch ungewiss. Die LfL-Spezialisten empfehlen, diese auf zehn Jahre zu rechnen. Während des Winters werden die Roboter der LfL in der Landmaschinen-Schule Landshut-Schönbrunn platziert, damit sich auch die Schüler:innen mit den Zukunftstechnologien vertraut machen können.
Hier auf dem LfL-Acker hat man verschiedene Erfahrungen mit der Integration von Agrarrobotik zugunsten einer Pflanzenschutzmittelreduktion und pfluglosen Bodenbearbeitung gemacht. Die seit zwei Jahren wachsenden Blühstreifen, die aus mehrjährigen Blühmischungen entstanden sind, drängen in den Soja-Streifen hinein. Die Verunkrautung von Randstreifen verlangen Bearbeitung. Im vergangenen Jahr hatte man mit einem großen Schneckendruck zu kämpfen. Und bei der Lupine musste man einen hundertprozentigen Ertragsausfall hinnehmen. „Damit sich ein ökologisches Gleichgewicht einstellen kann, braucht es mehrere Jahre“, erklärt Markus Gandorfer. Andererseits ist die Artenvielfalt hier Anfang August deutlich wahrzunehmen. Schmetterlinge flattern zwischen Blühstreifen und Kulturen. Insekten, Laufkäfer, Raubmilben und Mäuse haben hier ihren Lebensraum gefunden. Auch Hasen und Fasane wurden schon gesichtet. „Die fressen auch gern Soja“, sagt Markus Gandorfer und lacht.
Wissenstransfer auf breiten Beinen
Die gesammelten Erfahrungen sollen an die Praxis vermittelt werden – so lautet ein weiteres Ziel des Projekts „Future Crop Farming“. Zum Wissenstransfer hat der Lehrstuhl für Soziologie der Universität Passau einen Beitrag geleistet. Am Rande des Ackers entstand ein Rundgang mit Schautafeln, auf denen zum einen die Akteur:innen rund um den Pflanzenbau, zum anderen die Zielkonflikte aufgezeigt werden. Regelmäßig finden sich hier etwa Schüler:innen, Senior:innen oder Lehrer:innen und andere in Gruppen ein, die sich über die Pflanzenbausysteme der Zukunft informieren. „Was Besucheranfragen angeht, sind wir mit unserem Projekt in der LfL Spitze“, sagt Standortleiter Markus Gandorfer nicht ohne Stolz. „Es braucht diese Größe der Versuchsanlage, um den Wissenstransfer auf breite Beine stellen zu können.“
Im Rahmen einer Studie zur gesellschaftlichen Akzeptanz der neuen Pflanzenbausysteme wurden 2000 Menschen befragt. Ergebnis: Was hier zu sehen ist, kommt gut an. Grundsätzlich besteht eine hohe Loyalität zu den hier generierten Transferleistungen. Ob dies auch mit einer höheren Zahlungsbereitschaft einhergeht? Diese Frage steht noch einmal auf einem anderen Blatt – soll aber bald in weiteren Umfragen geklärt werden.