Fleischgenuss: artgerecht und zeitgemäß?

Von Gastautor:in | Gepostet am 28.08.2023

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In was für einer umbrüchigen Zeit leben wir, in der Fleischgenuss fast anrüchig ist, pauschal negativ dargestellt wird und gleichzeitig diese Handwerkskunst derart an Attraktivität verliert, dass sich kaum noch junge Menschen in die Branche verirren? Sicher, aktuelle Themen zeichnen verstörende Bilder: Urwaldsoja im hiesigen Tierfutter, Tiertransporte von Europa nach Übersee, Massentierhaltung für Schnäppchenpreise… Alles Themen, die Alternativen und Lösungen brauchen. Ein Gastkommentar von Bernhard Probst.

Wenn jemand für eventuelle Missstände in der Tierhaltung sensibilisiert ist, dann Land- und Tierwirt:innen, Fleischer:innen und Schlachter:innen – wie unsere Kolleg:innen im Stall, beim Melken, in der Produktion und vor allem in der Schlachtung. Sie sind alle selbst auch Tierhaltende im Nebenerwerb, oft aus Familientradition und immer mit Herz. Um die Arbeit mit den Tieren absolut stressfrei für Mensch und Tier umsetzen zu können, haben wir sie zum „Low Stress Stockmanship“-Kurs geschickt. Eine Fleischerei mit Schlachtung ist und bleibt trotzdem kein Streichelzoo, aber die Kunst des perfekten Betäubens der Tiere darf einen in der Berufsehre stolz machen, denn wirkliche Alternativen gibt es dazu nicht.

Weiterhin ist der gesamte Prozess der Fleischgewinnung bis zum Kommissionieren weder trivial noch technologisch simpel. Der gesamte Arbeitsablauf wird immer vom Produkt bestimmt und erfordert absolutes Teamwork. Wenn beispielsweise eine Salami nach drei Monaten gut gereift und ausgewogen würzig ist, ist das die Folge von allen Beteiligten: dem Landwirt oder der Landwirtin, die richtig gefüttert haben, und einer ganzen Menge Fleischer:innen, die in Ihrem Arbeitsbereich alles richtig gemacht haben. Mein Dank den Kolleg:innen.

Warum soll man sich für Fleischgenuss schämen? Richtig ist, dass zu viel schlechtes Fleisch gegessen wird, und weil unser ökologischer Fußabdruck über das Fortbestehen der Menschheit entscheidet, kann Öko-Fleisch die einzige Option sein, sich für den Fleischgenuss eben nicht schämen zu müssen. Dennoch: Auch bei Bio-Fleisch fällt die Ökobilanz verschiedener Fleischarten höchst unterschiedlich aus, sodass die Diskussion über Fleischgenuss ganz sachlich geführt und korrekt bilanziert werden muss. Methanausstoß als Pauschalargument ist einfach irreführend und ideologisch behaftet. Nur mal nachgedacht: Wie viel Tiermasse an Wiederkäuern waren seit Jahrtausenden auf dem Globus? – Mehr als aktuell mit der gesamten Rinderhaltung. Eine strickt vegane Ernährung global zu betrachten würde jedem gut tun, der es mit der Weltrettung ernst meint. Unsere Kulturlandschaft mit Wiesen, Almen und Talweiden zu erhalten, ist ein guter Grund, sich mit nachhaltigem Fleischgenuss auseinanderzusetzen.

Wie ist das mit der Nahrungskonkurrenz? Weidehaltung ohne Zufuhr von synthetischen Stickstoffdüngern ist vollkommen ok und bei korrekter Bilanzierung des Humusaufbaus sogar klimapositiv, denn alle Wiederkäuer fressen die sonst nicht anders verwertbare Zellulose aus Gras und Klee und stellen es so der menschlichen Ernährung zur Verfügung. Bei Fleisch von Schweinen und Geflügel stellt es sich anders dar. Mengenmäßig verzehren wir davon mehr als an Rind- oder Schaffleisch. Wenn wir also die Effizienz der Futterverwertung dieser Tiere zur Nahrungsgewinnung für uns Menschen betrachten, muss man die Futterarten betrachten, die in direkter Konkurrenz stehen. In der Regel wird minderwertiges Getreide und das gesamte Nebenproduktspektrum an die Tiere verfüttert und damit veredelt. In der Fachsprache ist die Tierhaltung eine Form der Veredlung und die Fleischerei damit die höchste Veredlungsstufe.Die für die menschliche Ernährung ungeeigneten Ausgangsprodukte wie Weizenkleie, Tofu-Molke, Grünmehlpellets und Triticaleschrot findet man deshalb erst zum Braten veredelt auf seinem Teller. Das darf jedem gut schmecken. Ohne Schuldgefühle.

Gastautor:in

Bernhard Probst

Biokreis-Landwirt, -Verarbeiter und -Händler in der Region Dresden