“Öko war ein Lebensthema”

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 05.08.2024

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Josef Hofbauer (67) aus Bad Griesbach (Landkreis Passau) war einer der ersten zehn Bauern, die vor knapp 45 Jahren einen Vertrag mit dem Biokreis abschlossen. Auf seinem 40-Hektar-Nebenerwerbsbetrieb gab es zuerst Milchvieh, dann Mutterkühe, zehn Jahre lang einen Naturkostladen und irgendwann nur noch Ackerbau. Im Gespräch erinnert er sich an eine Zeit, die mit der heutigen nur wenig gemeinsam hat.

Josef, wie kam es dazu, dass Du bereits in den 80er-Jahren biologisch gewirtschaftet hast?
Ich habe seit jeher eine starke Naturverbundenheit und daher seit 1979, als ich den elterlichen Betrieb übernommen hatte, nie eine Giftspritze in die Hand genommen. Chemie war mir unsympathisch, und ich wollte unbedingt eine Landwirtschaft ohne Kunstdünger und Spritzmittel betreiben. Über meine Mutter, die den Biokreis-Gründer Heinz Jakob bei Kräuterwanderungen kennenlernte, entstand der Kontakt zum Verband. Als eine Bäckerei in der Nähe ihre Vollkornprodukte auf Bio umstellen wollte, bot es sich an, biologischen Weizen und Roggen für diese zu erzeugen.

Wie viel Haltung war bei den ersten umstellenden Landwirt:innen dahinter?
Es gab damals eine kleine Gruppe von begeisterten Menschen, die eine große Anteilnahme für Bio hatten. Bio hing auch mit gesunder Ernährung zusammen. Weißmehl war schon eine Zäsur, Fleisch für viele tabu. Dass wir uns selbst auch biologisch ernähren, war selbstverständlich. Dazu kam ein gewisser missionarischer Eifer. Und auch in der Biokreis-Vorstandschaft habe ich mich eine Zeit lang engagiert.

Warum waren Überzeugung und Engagement der „Ökos“ damals verbreitet?
Weil die Aburteilung härter war, musste die Begeisterung intensiver sein. Ein kritischer Teil der Gesellschaft behauptete damals: Ökolandbau funktioniert nicht. Entweder gehe man damit pleite oder man betrüge. Mit diesen Vorwürfen wurden auch die Eltern der „Ökos“ in den Dörfern konfrontiert. Da entweder Scheitern oder Betrug unterstellt wurden, waren wir massiven Angriffen ausgesetzt. Um diesen entgegenzutreten, musste man Bio aus Überzeugung machen. Darüber hinaus gab es keine Beratung, was bedeutete, dass die Unsicherheit sehr groß war und wir alles selbst ausprobieren mussten. Wie entsteht Humus? Welche Zwischenfrüchte bringen wie viel Stickstoff? Über Jahre galt es, ein stabiles System zu erarbeiten und dabei Misserfolge in Kauf zu nehmen. Auch das machte man nur, wenn man überzeugt war. Mich interessierte damals auch Klimapolitik, regenerative Energieerzeugung und ökologisches Bauen. Öko war ein Lebensthema. Aber die ältere Generation geht allmählich in Rente, und für die Jüngeren ist Ökolandwirtschaft eine Selbstverständlichkeit.

Ein kritischer Teil der Gesellschaft behauptete damals: Ökolandbau funktioniert nicht.

Ist Haltung damit verloren gegangen?
Manche rechnen heute einfach – und entscheiden sich für das wirtschaftlich Sinnvollste. Auch wir waren an diesem Punkt nicht nur Idealisten, die Finanzen mussten schon stimmen. Aber sie hatten keinen Selbstzweck. Früher gab es oftmals auch gar keine Preisverhandlungen. Wir mussten unser Getreide nicht anpreisen, sondern verteilen. Und es wurde nicht gefragt: „Wie viel kostet es?“, sondern „Wie viel brauchst du?“. Es war eine wunderbare Zeit. Aber wie es so schön heißt: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…

Und von diesem Zauber ist nichts mehr übrig?
Öko ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und in jedem Supermarkt zu haben. Und es gibt alles in Bio – Gesundes und Ungesundes. Die EU-Bio-Richtlinien regeln die Erzeugung ganz genau. Die Käuferschaft hat sich vervielfacht, und es kam zu einer starken Kommerzialisierung. Die emotionale Anteilnahme ist deshalb weg. Heute hat die Gesellschaft andere Schwerpunkte: Corona, der Ukraine-Krieg, die Aufrüstungsthematik, Inflation und Energiepreise. Bio ist zwar thematisch nicht verschwunden,
aber aus dem Fokus gerückt.

Kann es dann mit Bio überhaupt noch vorangehen?
Öko bleibt Bestandteil von Land- und Lebensmittelwirtschaft. Und ich denke, dass Bio auch langfristig wachsen wird. Aber die Entwicklung wird von größeren Einheiten getragen werden.

Was würde das dann für kleinere Betriebe bedeuten?
Entweder sie finden ihre Nische oder erbringen Naturschutzleistungen. Letzteres ist auch der Weg, den mein Sohn und ich für den an ihn übergebenen Betrieb eingeschlagen haben.

Konntest Du Deine Haltung an Deine Kinder weitergeben?
Ja, ich denke schon. Sie sind pragmatischer, aber üben ökologisch verträgliche Tätigkeiten aus, und mein Bio-Betrieb wird weitergeführt. Sie fragen mich immer wieder um Rat. Und das Gute: Wir können uns konstruktiv über alles unterhalten.

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Ronja Zöls-Biber

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktionsleitung BioNachrichten