Gemeinsam Haltung zeigen

Von Biokreis-Redaktion | Gepostet am 05.08.2024

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Gemeinsam Haltung zeigen: Darum geht es bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), bei der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau (LVÖ) und beim Bund Naturschutz (BN). Wir haben Vertreter:innen angefragt, wie sie Engagement aktuell erleben.

Wie schwierig ist es heutzutage, Menschen aus der Ökolandwirtschaft ins politische oder gesellschaftspolitische Engagement zu bringen?

LVÖ

Wie überall so ist es auch in der Ökolandwirtschaft schwieriger geworden, Personen zu finden, die dauerhaft in Ehrenämtern Verantwortung übernehmen. Eine der Ursachen ist vermutlich, dass Ehepartner:innen weniger oft im eigenen Betrieb tätig werden, sondern häufiger einer Tätigkeit außerhalb des eigenen Betriebs in Voll- oder Teilzeit nachgehen. Die Konsequenz ist, vor allem wenn Kinder da sind, dass weniger Flexibilität vorhanden ist und daher weniger Zeit für Ehrenämter bleibt.

BN

Menschen ins politische Engagement zu bringen, ist im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Gruppen in der Ökolandwirtschaft viel naheliegender. Die Unmittelbarkeit von politischen Entscheidungen auf die betriebliche Situation motiviert Menschen, sich auch politisch zu engagieren. Auch die Verbindung in die regionale oder lokale Gemeinschaft motiviert vielfach zu gesellschaftlichem Engagement. Hindernisse sind dann vielmehr die familiäre oder die arbeitswirtschaftliche Situation auf den Betrieben. Ein wichtiger Faktor ist die zunehmende Polarisierung der gesellschaftspolitischen Diskussion. Populistische Politik hat es geschafft, dass Menschen, die sich für Lösungen für gesamtgesellschaftliche Herausforderungen wie beispielsweise Klimawandel oder Biodiversitätsverlust engagieren, zum Feindbild stilisiert werden. Konstruktives politisches Engagement wird hierdurch sehr erschwert und Zeit dann lieber dort investiert, wo sie immer knapp ist – auf dem Hof.

AbL

Mein Eindruck ist, dass Bio politisch nicht mehr so aufgeladen ist wie früher. Es gibt gewachsene Strukturen, hauptamtliche Mitarbeitende in der Bio-Branche – und das Engagement für Bio fühlt sich nicht mehr nach Revolution an. Daher ist es nicht so leicht, Menschen zu motivieren. Hinzu kommt, dass Agrarpolitik komplex ist und in der Tagespolitik ständig sehr viel passiert. Ohne die Unterstützung der Menschen um mich herum würde ich mich sehr überfordert fühlen. Ein weiterer Faktor: Sich in Vereinen und Verbänden langfristig zu binden, erscheint vielen nicht besonders attraktiv, denn damit sind auch trockene Aufgaben wie etwa ein Kassenbericht verbunden. Wenn etwas projektgebunden und mit einem konkreten Output in Beziehung steht, kann man sehr viel mehr Menschen begeistern.

Welche Themen motivieren die Öko-Landwirt:innen am meisten?

LVÖ

Motivierend sind beispielsweise Themen mit einem direkten Bezug zum Betrieb, die aktuell im Gesetzgebungsverfahren sind oder die derzeit umgesetzt werden. Gerade Themen, die einen direkten Effekt auf die eigene Wirtschaftsweise haben, beispielsweise Regelungen zur Gülleausbringung oder zur Neuen Gentechnik, mobilisieren – auch weil Öko-Landwirt:innen ihre eigene Erfahrung und Expertise einbringen können. Für lokale Projekte in den Ökomodellregionen oder in den LEADER-Gruppen vor Ort engagieren sich Öko-Landwirt:innen ebenso häufig. Generell sind vor allem Themen attraktiv, auf die die Engagierten direkt einwirken können und durch ihr Engagement auch einen Effekt spüren.

BN

Eine gefühlt permanent krisenbelastete Gesellschaft braucht Lösungen – und diese kann der Ökolandbau vielfach bieten. Aus meiner Perspektive sind die Lösungen des Ökolandbaus für den Biodiversitätserhalt, die Schaffung lebendiger Böden, gegen den Klimawandel oder für bessere Tierhaltungsbedingungen Themen, die am meisten motivieren, sie in die Öffentlichkeit zu tragen.

AbL

Ich erlebe bei mir selbst immer wieder, dass die Triebfeder aus schmerzhaften Erfahrungen entsteht. Wenn ich in meiner Umgebung sehe, dass Ökosysteme zerstört werden, wenn meine Mama zu Hause ihre ganze Mühe in einen Gemüsegarten steckt, der dann vom Hagel kaputt gemacht wird, tut mir das weh und verschafft mir die Energie, daran etwas zu ändern. Die Selbsterfahrung motiviert mich, aus der Ohnmacht herauszukommen. Das ist auch bei anderen Ökolandwirt:innen so.

In welchen Themenbereichen wird in Zukunft Engagement aus der Ökolandwirtschaft unbedingt gebraucht?

LVÖ

Es ist toll, wenn wir die wachsende Kraft der steigenden Zahl von Ökobetrieben vor Ort einsetzen können. Ein guter Kontakt und regelmäßiger Austausch mit lokalen Politiker:innen, aber auch mit den zuständigen Abgeordneten aus dem Landtag ist Gold wert, um diese für die Bedarfe der Ökolandwirt:innen zu sensibilisieren. Besonders wichtig ist es dabei für uns, mehr bioregionale Produkte in die Küchen der Gemeinschaftsverpflegungen von Kitas, Schulen und Krankenhäusern vor Ort zu bringen. Dafür Beschlüsse auf Gemeinde- oder Landkreisebene zu erwirken, würde die Nachfrage stärken und Wertschöpfungsketten schließen helfen.

BN

Hier sehe ich die Öko-Landwirt:innen als Botschafter:innen in den Themenbereichen, in denen der Ökolandbau Lösungen anbietet. Bei Verbänden braucht es die Mitarbeit der Öko-Landwirt:innen insbesondere da, wo es um politische Rahmenbedingungen und gesetzliche Regelungen geht. Politische Ideen und deren Umsetzung auf der Verwaltungsebene können sehr schnell an den Realitäten auf den Betrieben vorbeigehen. Daher braucht es hier unbedingt die betriebliche Perspektive.

AbL

Ich würde mich freuen, wenn die Bio-Verbände politisch aktiver wären und sich mehr in das Tagesgeschäft einmischen würden. Wir brauchen zumindest mehr Teilkomponenten aus der Ökolandwirtschaft, um zukunftsfähig Landwirtschaft betreiben zu können. Ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, ist der Zugang zu Land. Die Ökobranche sollte zusammen darauf aufpassen, dass außerlandwirtschaftlichen Investor:innen der Zugang zu Land erschwert wird. Das ist die Voraussetzung dafür, dass junge Landwirt:innen überhaupt eine Chance haben, einen Betrieb zu übernehmen oder neu aufzubauen.

Biokreis-Redaktion