“Ich feiere auch kleine Erfolge”

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 05.08.2024

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Biokreis-Landwirtin Bärbel Endraß engagiert sich seit vielen Jahren gesellschaftspolitisch – und ist eine der Hauptakteur:innen im Widerstand gegen die Aufweichung der Gentechnik-Gesetze.

Bärbel Endraß

Biokreis-Landwirtin

„Es geht nicht“: Das hörten Bärbel und Jörg Endraß von allen Seiten, als sie 1994 den intensiven Sonderkulturen-Betrieb, den sie von Jörgs Eltern übernommen hatten, auf Bio umstellen wollten. Doch
Dinge entstehen durchs Tun, so lautet der Leitgedanke der Endraß, und nach einer Umstellungsberatung
ließ man die Pestizide und Kunstdünger auf den Erdbeerfeldern des Zehn-Hektar-Betriebs weg. Beikrautregulierung war die erste Herausforderung, auf natürliche Weise mit Schädlingen zurechtkommen, und organisch zu düngen. Doch genau das war das Ziel dieser Umstellung: für ein anderes System zu arbeiten, neue Möglichkeiten aufzuzeigen, sich nicht von der Industrie zur Abhängigkeit erziehen zu lassen. „Die Umstellung auf Bio war auch ein politischer Schritt“, erklärt die Landwirtin aus Wangen im Allgäu bestimmt.

“Die meisten Dinge sind nicht gegeben, sondern gemacht”

„Politisiert“ wurde die 59-Jährige bereits während ihrer Ausbildung zur Landwirtin. „Auf beiden Betrieben, auf denen ich meine Lehre absolvierte, waren Bäuerinnen, die sich einmischten, mich auf Missstände hinwiesen und auf die Abgründe des Bauernverbandes wie Vetternwirtschaft, Zusammenarbeit mit bestimmten Parteien, Machtausübung, patriarchale Strukturen“, erklärt Bärbel Endraß. Sie habe früh
erfahren, dass die meisten Rahmenbedingungen nicht gegeben, sondern gemacht seien; dass man dies anderen überlasse, wenn man sich nicht in die Politik einbringe; und dass man umso misstrauischer sein müsse, je vollmundiger dabei gesprochen wird.

Direkt nach der Umstellung und so lange die Kinder noch klein waren, war Engagement nur sehr eingeschränkt möglich. Doch bald schon ließ sich Bärbels Mann Jörg für die Grünen in den Gemeinderat
und als Ortsvorsteher wählen. Manchmal brauche es auch kleine Schritte: Die Initiierung zweier Genossenschaftsdorfläden und die Installation einer Hackschnitzelanlage in der Schule fielen in diese Zeit. Und auch dafür, dass der Wochenmarkt in Wangen weiterhin ein attraktiver Vermarktungsort blieb,
obwohl die umliegenden Cafés gerne Platz für ihre Tische gehabt hätten, brauchte es immer wieder Fürsprache. Der Markt diente auch der eigenen Direktvermarktung.

Ziel ist es, sich nicht von der Industrie zur Abhängigkeit erziehen zu lassen.

Fokus Gentechnik

Bärbel hingegen engagierte sich bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), denn es sei ebenso wichtig, die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft mitzugestalten. „Eine praxisferne Bestimmung, beispielsweise für die Schlachtung, kann für die regionale Vermarktung zum Problem werden“, erklärt sie. Ihr Hauptengagement fokussiert sich jedoch seit mehr als 20 Jahren auf das Thema Grüne Gentechnik, auf welches sie während des Studiums aufmerksam wurde. Damals habe sie bereits gesehen, dass dies das nächste große Geschäftsfeld mit weiteren Abhängigkeiten für die Landwirt:innen sei. „Hier ist es wichtig, Gegenrede zu halten! Denn letztendlich geht es immer um Marktanteile, Umsätze und Aktiengewinne großer Unternehmen.“

Der Einsatz lohnte sich. Weil viele gemeinsam gegen die Konzerninteressen kämpften, kam es schließlich zu guten Urteilen und sinnvollen Gesetzen. Bärbel Endraß ärgert sich, dass sie nun erneut gegen die Gentechnik in der Landwirtschaft antreten muss, um eine Aufweichung der geltenden Gesetze zu verhindern. Denn die Zeit, die sie investiert, fehlt ihr woanders. „Aber wir haben eine politische Verantwortung, wachsam und kritisch zu sein. Wir sind ein demokratisches Land, uns geht es gut. Und keines der Länder, welche die Gentechnik dereguliert haben, hat damit irgendwelche wichtigen Probleme
für die Ökologie oder die Menschen dort gelöst – im Gegenteil: Monokulturen, Saatgutverlust und zunehmender Pestizideinsatz waren und sind die Folgen. Diesen Weg dürfen wir nicht gehen.“ Weltweit hätten Menschen das Problem, dass Konzerne ihnen die Rechte nehmen wollen. Sie wünsche sich bei der Gentechnik wache und mutige Bäuerinnen und Bauern, die mit ihr gemeinsam dagegen vorgehen.

Wie werden wir politisch gehört?

Ihre Strategie: Verbündete suchen und vor allem bereits politisch Aktive. In der AbL finde sich hierfür
ein gutes Feld. Auch kritische Wissenschaftler:innen gehören zu ihren Ansprechpersonen. Es gehe viel um Vernetzungsarbeit und Sammeln von Informationen. Außerdem werden Veranstaltungen organisiert, und schließlich dreht sich alles um die Frage: Wie werden wir politisch gehört? „Wir haben dafür keine Millionen zur Verfügung, aber Menschen, die gute Ideen haben und motiviert sind“, sagt sie. Ziel sei, das Thema in die Gesellschaft zu bringen, denn diese sei mehrheitlich von der Landwirtschaft so weit entfernt, dass ihr die Auswirkungen durch Gentechnik auf dem Acker gar nicht bewusst seien.

Wir haben eine politische Verantwortung, wachsam und kritisch zu sein!

Bärbel Endraß hat dafür eine Petition gestartet, sie spricht mit Medien und geht auf Podien, auch wenn das nicht unbedingt zu ihren Lieblingsaufgaben gehört. „Ich bin nicht immer gut dabei. Manchmal werden mir ungute Fragen gestellt, mit denen ich mich schwer tue. Aber wie viele Politiker:innen reden Müll und werden trotzdem wieder gewählt?“ Daher brauche es ihrer Meinung nach mehr alternative politische Instrumente wie Bürgerbegehren. Und auch mehr Transparenz. „Wenn ich ins Parlament will, brauche ich eine aufwändige Akkreditierung. Lobbyist:innen dürfen einfach so hinein. Das ist nicht richtig.“

“Manchmal ist es zum Haare raufen”

Sie erlebe, dass sich auch junge Menschen mit ihr gemeinsam engagieren, einige von der AbL oder
Hofnachfolger:innen, deren Eltern schon politisch aktiv waren. Auch mit ihren eigenen Kindern diskutiere sie viel über Politik. Doch allgemein sei es auch ihre Wahrnehmung, dass das Interesse abnehme. „Ich denke, der Grund ist Überforderung. Denn Engagement belastet auch. Wenn ich auf dem Feld oder im Stall arbeite, bin ich ruhig. Bin ich politisch aktiv, ist es manchmal zum Haare raufen. Ignoranz kann mich sehr betrüben.“ Über die EU-Wahlergebnisse etwa sei sie sehr traurig.

Es werde künftig im Kampf gegen die Aufweichung der Gentechnik-Gesetze nicht leichter. Trotzdem: Auch auf EU-Ebene habe sie gemeinsam mit ihren Mitstreitenden Erfolge erzielt, viele Abgeordnete erreicht, die Kennzeichnungspflicht ins Spiel gebracht und dafür gesorgt, dass sich die CSU am Ende nicht traute, mit abzustimmen. „Ich feiere auch kleine Erfolge. Denn es ist wie im Ökolandbau: Manchmal klappt etwas nicht. Trotzdem gehe ich Jahr für Jahr wieder auf den Acker und säe.“

Unterstützt die Petition!

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Ronja Zöls-Biber

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktionsleitung BioNachrichten