„Die Honigbiene war schon vor uns da“

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 22.10.2023

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Dr. Marina Meixner ist Leiterin des Bieneninstituts Kirchhain am Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, wo in den vergangenen Jahren intensiv Versuche gemacht und Konzepte entwickelt wurden, um imkerliche Betriebsweisen an den Klimawandel anzupassen. Im Interview erklärt sie, warum Wetterextreme für Bienen gefährlich sein können, welche neuen Wege Imker:innen nun gehen sollten und warum der freie Handel mit Nutztieren bei der Honigbiene problematisch ist…

Dr. Marina Meixner

Frau Dr. Meixner, es wird wärmer und sonniger. Ist das nicht gut für die Bienen?
Das kommt darauf an, wann genau es wärmer wird. Aktuell gibt es weniger Frost, die Winter werden wärmer und kürzer, die Ruhephasen der Bienenvölker sind verkürzt. Das hat zur Folge, dass länger gebrütet wird, wofür mehr Energie und Zucker verbraucht wird. Heizen kostet viel Energie. Folgen dann im Frühjahr Kälteeinbrüche, hat das Bienenvolk unter Umständen nicht mehr die erforderlichen Ressourcen, um die vorhandene Brut auch unter diesen Umständen zu versorgen oder auch nur zu überleben. Das kann Bienenvölker in ernsthafte Schwierigkeiten bringen.

Welche anderen Wetterextreme können Honig-Bienen beeinträchtigen?
Wenn es zu Starkregen kommt, wie etwa vor zwei Jahren im Ahrtal, können ganze Völker mit Standorten in Flusstälern verlorengehen. Imker:innen müssen zunehmend darauf achten, ihre Bienen nicht in gefährdeten Tälern zu platzieren. Spätfrost sorgt dafür, dass Bienen Trachten nicht ausnutzen können. Durch Sommertrockenheit kann sich die Trachtlage verändern. Wo nicht bewässert wird, sind etwa Himbeeren gefährdet. Diese Gefahren treten jedoch punktuell, regional unterschiedlich ausgeprägt und kaum vorhersagbar auf.

Verändert sich auch die Gefahr durch Krankheitserreger und Schädlinge?
Grundsätzlich unterliegen Krankheitserreger und Schädlinge einem dynamischen Prozess. Milde Winter erzeugen jedoch den Effekt, dass Völker nicht vom Brüten abgehalten werden und sich die Varroamilben auch über den Winter vermehren können. Dieses Problem muss man ernst nehmen und sich damit auseinandersetzen. Am Bieneninstitut läuft derzeit ein Projekt, im Rahmen dessen die Königin im Winter für einige Zeit gekäfigt wird, wodurch das Brüten unterbunden wird. Erste Ergebnisse zeigen, dass das Verfahren gut klappt. Mit dem Einsatz großer Käfige und mit viel Sorgfalt verkraften es die Königinnen gut. Wir sind hier allerdings noch im experimentellen Stadium und noch nicht bereit für Empfehlungen.

Die älteste in Bernstein eingeschlossene Biene, die bis jetzt gefunden wurde, wird auf circa 100 Millionen Jahre geschätzt.

Welche Maßnahmen für die Imkerei können Sie angesichts der Problematik Klimawandel schon empfehlen?
Im Sommer sollten Bienen nicht in die pralle Sonne gestellt werden. Hygienische Tränken in der Nähe sind unverzichtbar. Derzeit finden bei uns Experimente statt über zweckmäßige Beuten-Anstriche, hierzu liegen derzeit aber noch keine Daten vor. Empfehlenswert ist eine sorgfältige Sommerbehandlung als zentrale Varroa-Behandlung. Sie sollte auf keinen Fall weggelassen werden. Ziel ist es, im Herbst möglichst wenig Milben zu haben und optimale Bedingungen für die Aufzucht gesunder Winterbienen zu schaffen. Der natürliche Milbenfall sollte den Herbst über sorgfältig beobachtet werden, um eine verlässliche Grundlage für die Entscheidung über eine Winterbehandlung zu schaffen. Eine gute Idee ist sicherlich, großzügig einzufüttern, damit die Völker über den Winter sehr gut versorgt sind. Es gibt auch die Möglichkeit, in kühleren Gegenden zu überwintern, die Bienen also in andere Höhenlagen zu bringen. Im Frühjahr sollten Imker:innen wieder darauf achten, dass noch genügend Futter vorhanden ist. Sinnvoll ist auch die Nutzung von Portalen wie Trachtnet oder Blühmonitoring, wo Prognosen gestellt werden. Für ein kontinuierliches Trachtenband zu sorgen, funktioniert nur im Verbund mit Landwirtschaft, Kommunen und Besitzer:innen von privaten Gärten. Das ist eine Frage der Kommunikation.

Wie wirken sich die Veränderungen auf den Honig-Ertrag aus?
Das ist pauschal nicht zu beantworten – jedes Jahr anders. Trotz kaltem Frühjahr und spätem Trachtbeginn blicken wir in diesem Jahr einer überdurchschnittlichen Ernte entgegen. Wenn allerdings Frost oder Hagel Blüten zerstören, kann das auch ganz anders aussehen.

Weltweit steigt die Zahl der Honig-Bienen seit einigen Jahren. Warum?
In Deutschland wächst die Zahl der Honigbienenvölker, da sich wieder mehr Menschen für die Imkerei interessieren. Trotzdem muss man auch sehen, dass die derzeitige Anzahl in etwa der vor 30, 35 Jahren entspricht. In den 50er-Jahren gab es etwa doppelt so viele Bienenvölker. Imker:innen betreuen heutzutage im Durchschnitt fünf bis sieben Völker und betreiben damit ein Hobby, in dem sie einen Bezug zur Natur sehen. Das ist sehr erfreulich und lobenswert. Dagegen gibt es aber nur vergleichsweise wenige professionelle Betriebe oder Wander-Imkereien mit mehr als 100 Völkern.
Unsere Apis mellifera, die westliche Honig-Biene, ist beispielsweise auf dem amerikanischen Doppelkontinent, in Australien, China und Südostasien nicht heimisch. In diese Gebiete wurde sie eingeführt, entweder weil es dort gar keine Honigbienen gab oder die eigenen dort ansässigen Honigbienenarten imkerlich nicht so gut bewirtschaftet werden können. Mit hohem logistischen und industriellen Aufwand wird beispielsweise in China Honig erzeugt. Dort steigen die Völkerzahlen natürlich massiv.

Wie ist das Vorkommen der Honigbienen im Kontext des allgemeinen Insektensterbens einzuordnen?
In Europa ist die Apis mellifera natürlicher Bestandteil unserer Insektenfauna. Sie war schon vor uns da und ist als Art nicht bedroht. Bedroht ist allerdings die natürliche Anpassung ihrer Unterarten; davon gibt es in Europa insgesamt viel mehr. Viele Gegenden im Mittelmeerraum haben ihre eigene Honigbiene, die sehr gut an die dort herrschenden Bedingungen angepasst ist. Doch Importe bringen dieses Anpassungsvermögen in Gefahr. In der EU ist der freie Handel mit Nutztieren erlaubt, dazu gehört auch die Honigbiene. Nur wenige Länder wie Slowenien verbieten den Import gebietsfremder Unterarten. Anpassung an regionale Gegebenheiten spielt bei der Honigbiene eine sehr große Rolle, daher ist es vernünftig, großes Augenmerk auf diesen Aspekt zu legen und dies etwa beim Erwerb von Königinnen oder Zuchtmaterial zu berücksichtigen.

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Ronja Zöls-Biber

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktionsleitung BioNachrichten