Baum auf Acker – das Prinzip Agroforst

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 02.04.2024

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Dr. Christian Böhm, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Fachverbands für Agroforstwirtschaft, erklärt im Interview, warum die Pflanzung von Bäumen und Sträuchern sowohl betriebswirtschaftlich als auch im Hinblick auf Umwelt- und Klimaschutz Sinn macht.

Herr Dr. Böhm, der Baum wird als Element der Agrarlandschaft gerade wiederentdeckt. Warum?
Bäume sind Bestandteile alter Formen der Landnutzung. Früher gab es beispielsweise viele Heckenlandschaften, in denen unter anderem mit Gehölzen Weideflächen abgegrenzt wurden und deren Reste teilweise noch erhalten sind. Agroforstliche Elemente wurden aber auch zur Gewinnung von Brennholz oder Bauholz und damit für Ernteerträge genutzt. Doch man setzte in der Landwirtschaft zunehmend auf große Flächen, so dass die Gehölze störten. Durch Düngemitteleinsatz konnten auf den großen Flächen die Erträge gesteigert werden. In den vergangenen Jahren sorgten allerdings veränderte Klimabedingungen dafür, dass Düngemittel zur Ertragssicherung nicht mehr ausreichen. So wurde die Landwirtschaft wieder auf diese alten Strukturen aufmerksam. Diese tragen dazu bei, Wasser zurückzuhalten und so die Klimaresilienz zu steigern.

Wie lassen sich Bäume optimal in Betriebe integrieren?
Die Integration richtet sich nach dem Ziel des jeweiligen Betriebs. Will man produktive Landnutzungselemente, mit denen man Holz gewinnen oder Früchte verwerten kann? Welche Umweltleistungen möchte man erreichen? Kommt es vorrangig auf Bodenerosionsschutz an? Handelt es sich um kleine oder große Flächen? Sind diese schwach oder stark strukturiert? Diese Fragen gilt es zu klären. Dann empfiehlt es sich, einen Blick auf die vorhandene Technik des Betriebs zu werfen, denn danach sollte der Abstand zwischen den Streifen ausgerichtet werden. Um Mehrfahrten zu vermeiden, ist es ratsam, ein Vielfaches der allgemeinen Arbeitsbreite bei der Reihensetzung zu wählen.

Welche Ökosystemleistungen bringt Agroforst mit sich?
Agroforst sorgt für Erosionsschutz, verbessertes Wasserhaltevermögen, Schutz von Oberflächengewässern wie Seen, wo Gehölze als Puffer wirken, und für die Förderung von Nützlingen. Denn neben den Streifen entstehen Blühsäume, die als Lebensraum für viele Arten dienen. Außerdem wird mit Agroforst durch die oberirdische und unterirdische Bindung von Kohlenstoff Klimaschutz betrieben.

Mit Agroforstwirtschaft werden viele Funktionen gleichzeitig adressiert. Daher sollte seitens Staat und Gesellschaft ein großes Interesse an deren Ausbau bestehen.

Dr. Christian Böhm

Und welche wirtschaftlichen Vorteile bringt die Agroforstwirtschaft für den Betrieb?
Für den Betrieb stellen sich zunächst ökonomische Fragen: Wie viel muss investiert werden? Wie viel Verlust ergibt sich durch die Flächen, auf denen wegen der Gehölze keine Ackerkulturen mehr angebaut werden können? In diesem Zusammenhang ist langfristiges Denken wichtig, denn mit Agroforst lassen
sich resiliente Flächen aufbauen, die zu mehr Ertragsstabilität führen. Auch die Förderung von Nützlingen zahlt sich nach und nach aus. Diese Leistungen fließen allerdings in die allgemeine betriebswirtschaftliche Rechnung nicht mit ein. Dennoch sollte man sie im Blick haben! Dies sollte sich unbedingt ändern, denn diese Vorteile zahlen sich nicht nur für den Betrieb aus, sondern haben oft auch einen volkswirtschaftlichen Mehrwert, den es zu honorieren gilt. Was die Produkte aus den agroforstlich
genutzten Gehölzstrukturen anbelangt, so muss man in manchen Fällen Jahre bis Jahrzehnte warten. Stammholz etwa wird in der Regel erst die nächste Generation nutzen können. Früchte und Hackschnitzel können hingegen schon nach wenigen Jahren produziert werden. Mit den Produkten aus den
Gehölzstrukturen lässt sich ein zusätzlicher Wirtschaftszweig etablieren. Der Wertschöpfungsbeitrag dieser Produkte ist insbesondere an ertragsärmeren Standorten hoch. Doch auch auf ertragsreichen Böden lassen sich eine höhere Ertragsstabilität und Klimaresilienz erreichen, die wiederum einen direkten ökonomischen Vorteil darstellen. Trotzdem ist klar: Erst einmal ist Geld in die Hand zu nehmen. Daher sind Fördermöglichkeiten wichtig.

Wie sehen diese derzeit aus?
Mit Agroforstwirtschaft werden viele Funktionen gleichzeitig adressiert. Daher sollte seitens Staat und Gesellschaft ein großes Interesse an deren Ausbau bestehen. Und die behördlichen Hemmnisse sollten so niedrig wie möglich gehalten werden. Die Investitionsförderung erstattet Kosten für die Pflanzung,
allerdings gibt es sie derzeit nur in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. Für die Pflege der agroforstlichen Anlagen kommt aktuell die Öko-Regelung zum Tragen, die in den meisten Bundesländern
auch von Bio-Betrieben in Anspruch genommen werden kann. Diese ist 2024 zwar von 60 auf 200 Euro pro Hektar Gehölzfläche gestiegen, ist aber dennoch nicht wirklich attraktiv. Für die Investitionsförderung, bei der bis zu 65 Prozent der investierten Mittel erstattet werden, sind die Hürden sehr hoch. Es gibt eine lange Liste an Dokumenten – vom Nutzungskonzept über das Investitionskonzept, die Genehmigung durch die Untere Naturschutzbehörde bis zur Genehmigung der Landeigentümer:innen –, die vorgelegt werden müssen. Bürokratieabbau ist daher genauso wichtig wie die Förderung selbst.

Welche Bäume eignen sich zum Einsatz in Agroforstsystemen?
Die Spannbreite ist riesig. In Frage kommen alle Bäume, die auf dem Acker aufwachsen können, von Birke, Pappel, Weide, Spitzahorn, Bergahorn bis zu Nuss- und Obstbäumen. Es existiert auch eine Negativliste mit zehn Baum- und Straucharten, die in Agroforstsystemen nicht angebaut werden dürfen. Hier ist unter anderem auch die Robinie verzeichnet. Als invasive Art aus Amerika will man ihre Ausbreitung verhindern. Das Paradoxe: Im Forst ist sie erlaubt, wo deren Ausbreitung weniger gut verhindert werden kann als beim Anbau in einem Agroforstsystem. In der Praxis sieht es auch so aus, dass die Unteren Naturschutzbehörden häufig Bedenken bei nicht heimischen Hölzern haben, obwohl Agroforstflächen zur landwirtschaftlichen Nutzung zählen und produktionsorientierten Charakter haben.

Woher können Bio-Landwirt:innen Bäume beziehen?
Es gibt leider noch wenige Bio-Baumschulen, die neben Obstgehölzen auch andere Baumarten wie Pappeln oder Erlen anbieten. Wer solches Pflanzgut braucht, sollte sich beispielsweise unter www.organicxseeds.de informieren, wo entsprechende Anbieter gelistet sind. In Fällen, wo es keine
Anbieter für Bio-Pflanzgut gibt, erhält man in der Regel eine Sondergenehmigung für die Nutzung von Pflanzgut aus konventionellen Baumschulen. Ich denke, dass es hier aber mit zunehmender Nachfrage eine weitere Entwicklung geben wird.

Tendenziell entscheiden sich kleinere Betriebe und speziell Familienbetriebe, die in Generationen denken, eher für die Agroforstwirtschaft.

Dr. Christian Böhm

Braucht man unbedingt professionelle Hilfe für das Konzept?
Wenn man gar keine Erfahrung hat, macht Beratung durchaus Sinn – vor allem je höher der Komplexitätsgrad ist. Hier können Fragen geklärt werden wie: Welche Sorte eignet sich für welchen Standort? Wie hoch sind die Erträge? Welche Gehölze vertragen sich untereinander? Wann kann man mit welchen Erträgen rechnen?

Wie viel muss in etwa investiert werden?
Das ist stark abhängig vom jeweiligen System und der Anzahl an Gehölzen und Baumarten. Ganz grob lässt sich sagen, dass pro Hektar Gehölzfläche mit 7.500 bis 8.000 Euro zu rechnen ist. Die Investitionskosten inklusive anfänglicher Pflege können aber bei besonderen Sorten oder speziellem
Baumschutz auch auf bis zu 20.000 Euro steigen.

Welchen Arbeitsaufwand bringen Agroforstprojekte mit sich?
Wichtig ist, Gehölze in den Produktionsplan zu integrieren. Wenn eine Nutzung erfolgen soll, muss in den Anfangsjahren Zeit investiert werden. Vor allem schnell wachsende Arten brauchen in den ersten zwei Jahren Unkrautpflege, um die Konkurrenz zu beseitigen. Obstbäume brauchen mehrere Jahre Pflege, so dass vor allem in den ersten drei Jahren der Anwuchsphase der Aufwand hoch sein kann. So muss hier etwa in trockenen Jahren auch gewässert werden. Der Vorteil ist, dass viele Arbeiten im Winter erfolgen, also außerhalb der landwirtschaftlichen Arbeitsspitzen, wie zum Beispiel Pflanzung und Holzernte. Je
mehr verschiedene Strukturen und Holzarten vorhanden sind, desto höher ist der Aufwand für die Pflege.

Gibt es ein besonderes Interesse an Agroforst seitens der Ökolandwirtschaft?
Meiner Wahrnehmung nach sind Interesse und Offenheit im Ökolandbau größer. Für die Umsetzung kann ich das aber nicht behaupten. Tendenziell entscheiden sich kleinere Betriebe und speziell Familienbetriebe, die in Generationen denken, eher für die Agroforstwirtschaft. Im Ökolandbau wurden bis letztes Jahr Gehölzflächen bei den Prämien häufig herausgerechnet. Mit der neuen GAP seit 2023 kann die Ökolandbau-Prämie auch für Flächen mit Bäumen genutzt werden. Das ist ein großer Vorteil.

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Ronja Zöls-Biber

Redaktionsleitung BioNachrichten / Mitarbeiterin beim Biokreis e.V.