Agroforst seit Jahrhunderten: Hühner unter Bäumen

Von Gastautor:in | Gepostet am 02.04.2024

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Streuobstwiesen haben nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft.

Agroforst hat Tradition – im Bergischen Land und überall. Bestes Beispiel: die Streuobstwiesen. Ehemals waren die fruchtbringenden Wiesen rund um die Dörfer angelegt. Kälber weideten dort, die mit den Leckermäulern nicht bis an die Äpfel, Birnen, Pflaumen und Kirschen herankamen.
So hatten beide etwas davon: die Tiere eine gute und im Sommer schattige Weidefläche, der Mensch im Sommer und besonders im Herbst die Vitaminlieferanten, die bis ins neue Jahr gelagert und nicht von irgendwoher importiert wurden.

Die Zeiten der Kälberweiden sind vorbei, doch die Agroforst-Streuobstwiese hat trotzdem eine Zukunft. Statt für Kälber wird sie heute gerne für Schafe genutzt – oder eben auch immer öfter für Hennen. Denn Hühner sind ja nun eigentlich Waldvögel, die es genießen, unter Obstbäumen nach Regenwürmern zu suchen. Der Trend zum Huhn im Agroforst hat sich wieder verstärkt, seit die mobilen Hühnerställe immer mehr Landwirt:innen zu Hühnerhaltenden haben werden lassen. Denn gerade die kleineren Bestände funktionieren auf der Streuobstwiese – da kann dann auch der Hühnerwagen bis unter die Bäume gefahren werden oder bis nahe dran, um den Hennen einen der artgerechtesten Hühnerausläufe zu gönnen, der möglich ist.

Silvopastorale Systeme sind Agroforstsysteme, die mit Weidenutzung und Tierhaltung kombiniert
werden. Silva kommt aus dem Lateinischen und steht für Wald, pascere (lat.) bedeutet füttern.
Streuobstwiesen gibt es bereits seit den Zeiten des Römischen Reiches, sie zählen also zu den Urformen des Agroforsts.

Erhalt wertvoller Biotope

Erfreulicher Nebeneffekt: Unter der Streuobstwiese tragen heute Hühner und Schafe dazu bei, eines der wertvollsten Biotope zu erhalten. Gleichzeitig ist die Streuobstwiese auf Dauergrünland als landwirtschaftliche Nutzfläche anerkannt und zudem über Vertrags- oder andere Naturschutzmaßnahmen
ordentlich förderbar. Da wird dann schnell eine Win-Win-Situation daraus – und wer dann noch alte regionale Obstsorten anpflanzt, kann später mit Spezialitäten locken. Denn alte Apfelsorten beispielsweise sind nicht nur stark im Geschmack, sie lösen auch kaum oder keine Allergien aus.

Hühner eignen sich aber auch für moderne Agroforst-Systeme. Denn ob sie unter dem alten Kaiser-Wilhelm-Apfelbaum scharren oder unter schnellwachsenden Pappeln, das ist der Henne eigentlich egal – vielleicht fehlen ihr nur als Geschmackserlebnis im Herbst die heruntergefallenen Früchte. Aber Pappeln, Hecken und Gehölze geben ebenso Schutz und passen zum wesenstypischen Leben der Hühner. Mit einem Hinweis aber: Hecken können Hennen verlocken, dort versteckte Nester anzulegen und nicht im Hühnernest des Stalls die Eier abzulegen. Insofern: Agroforst mit Hühnern (und Schafen) klappt auch außerhalb der Streuobstwiese – doch für diejenigen, die besonders viel für die natürliche Vielfalt tun wollen, ist die Hühnerhaltung auf der klassischen Streuobstwiese ein Agroforst-System mit Zukunft.

Gastautor:in

Peter Schmidt

Biokreis-Landwirt