Die kleinen Retter des Moors

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 25.03.2025

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Im Brucker Moos sorgen die Galloway-Rinder der Familie Tristl für Wiedervernässung und Biodiversität.

Sebastian Tristl springt in die Luft und landet mit beiden Gummistiefeln gleichzeitig und wuchtig auf dem Boden. Der Boden kommt stoßartig in Bewegung, bebt regelrecht. Bevor ich aus dem Gleichgewicht gerate, glättet er sich wieder und kommt sanft zur Ruhe. Ich blicke auf von diesem unsteten Untergrund und schaue Sebastian Tristl erstaunt an. „Noch nie erlebt?“, fragt er und lächelt. „Unter uns befindet sich ein nicht tragfähiges Hochmoor. Vier Meter haben wir in die Tiefe gegraben und keinen festen Boden gefunden.“ Und dennoch stehen wir auf dieser von Seggen und Binsen durchwurzelten Tragschicht – und mit uns eine Herde von Galloway-Rindern, die hier den Winter verbracht hat.

Magnus (links) und Sebastian Tristl.

Der Startschuss: zwei tragende Herdbuch-Tiere

Seit 16 Jahren gehören schwarze Galloway-Rinder mit dem weißen Gürtel, auch Belt genannt, zum Betrieb des Biokreis-Hofs Tristl in Kastenseeon (Landkreis Ebersberg, Oberbayern). Bis 2003 standen hier 35 Milchkühe im Stall. „Es war zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“, erinnert sich Sebastian Tristl. So gaben er und seine Frau Christina die Landwirtschaft schweren Herzens auf, verpachteten ihre Flächen und widmeten sich anderen Aufgaben. Doch im leeren Stall sammelte sich über die Jahre immer mehr Unrat an, und die Fläche herum musste mühsam mit der Sense gemäht werden. „Ein wenig Vieh wäre schon recht, dachten wir uns damals“, erzählt Christina. Und sie machte sich wegen der kleinen Fläche auf die Suche nach kleinen Rindern. Galloways gefielen ihr schon immer, auch wenn Sebastian erst der Meinung war: „Da ist ja nichts dran! Wenn schon Rinder, dann gescheite!“ Aber sie setzte sich durch, und so wurden in Sachsen zwei tragende Herdbuch-Tiere geholt, die sich über die Jahre vermehrten. Irgendwann stellte sich die Frage: Wollen wir wirklich so klein bleiben?

Jedes Tier hat einen Namen

Dass mittlerweile 60 Galloway-Rinder und vier Exmoor-Ponys zum Betrieb gehören, ist einer Ausschreibung des Landratsamtes zur Wiedervernässung von Moor zu verdanken. In Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde, dem Landschaftspflegeverband im Landkreis Ebersberg und dem Partnerbetrieb Doimahof in Alxing bekamen die Tristls den Zuschlag für die extensive Naturschutzbeweidung des 54 Hektar großen Brucker Moos. Mehr als die Hälfte der Rinder hat den Winter im Stall verbracht, doch im Frühjahr werden wieder fast alle gemeinsam auf die magere Moor-Weide getrieben. Gemeinsam mit vier Wasserbüffel und den Ponys werden sie den Sommer über hier leben.

Auf der Moorfläche haben sich unzählige Arten wieder angesiedelt, seit die Weidetiere hier leben. Bilder: Simone Paintner

Der erste Winter war hart – besonders für Christina, Sebastian und Sohn Magnus, der den Betrieb zeitnah übernehmen wird. Im Dezember 2023 standen die Tiere auf einer geschlossenen Schneedecke und bewegten sich angesichts dieser weißen Schicht nicht mehr. „Man darf die menschliche Empfindung nicht aufs Tier übertragen“, hat Christina aus dieser Zeit gelernt. Die Wege zur Heuraufe und zum Unterstand wurden frei geräumt – aber die Rinder blieben stehen. „Sie arbeiten im Winter sehr energiesparend und haben die Monate gut überstanden“, fasst die Landwirtin, die sich damals große Sorgen machte, heute zusammen.

Sie hat eine enge Bindung zu ihren Tieren. Jedes hat einen Namen. „Ich weiß, dass ich immer hingehen kann, ohne angegriffen zu werden. Galloways sind seit 2000 Jahren auf Mutterkuhhaltung gezüchtet und waren nie in Anbindehaltung. Das spürt man“, erzählt sie und stellt ein paar Eimer mit Schrot auf den Boden. Die Tiere galoppieren regelrecht herbei, der Boden vibriert. Sie stoßen sich zwar gegenseitig mit den rundlichen Köpfen, um möglichst viel Futter zu erhaschen, auf uns Menschen kommen sie aber vorsichtig zu und lassen sich streicheln. Nur der kleine Milan, der vor drei Wochen hier im Moor auf die Welt gekommen ist, geht ein paar tapsige Schritte rückwärts, sobald man auf ihn zugeht, und schaut einen mit schwarzen Knopfaugen neugierig an.

Biber, Schwarzstorch, Orchideen …

Rund um die Tiere, die in der Gruppe zusammenstehen, hat der Maulwurf seine Hügel geworfen und die schwarze Moor-Erde des Gebiets zwischen alter und neuer Moosach sichtbar gemacht. Stellenweise steht das Wasser, Holzstreifen und Schilf durchsetzen das weitläufige unwegsame Gebiet. Während sich die Biodiversität vor der Beweidung nicht wie gewünscht entwickelt hatte, etablierten sich im Dung und in den Pfützen der Tritte Insekten. Vor allem Käfer, Heuschrecken und Spinnen sind in hoher Anzahl vorhanden, aber auch der durchziehende Schwarzstorch wurde schon gesichtet. Vögel wie das Braunkelchen leben hier, der Biber darf sich austoben, an einzelnen Stellen wachsen im Sommer Orchideen. Die Weidetiere lassen die Blumen stehen und fressen lieber Brennnessel, Schilf, Springkraut und Birkenblätter.

Die riesige Fläche, die den Tristls unentgeltlich zur Verfügung steht, erfordert auch das Ausmähen von acht Kilometern Zaun und die Pflege der Waldstücke. Eine maschinelle Bewirtschaftung ist im Moor kaum möglich. Etwa eine Stunde fällt zudem täglich an, um nach der gemischten Herde zu sehen. Ist es Zeit für eine Schlachtung, erfolgt diese auf der Weide. In Zukunft soll der Weideschuss eingesetzt werden. Vermarktet wird direkt ab Hof. „Das Fleisch unserer Ochsen schmeckt sehr gut und sehr intensiv“, erklärt Magnus, der mit seinem Betrieb auch Mitglied in der Ökomodellregion Glonn ist. Ein von dieser geförderter neuer Verkaufsraum soll die Direktvermarktung in Zukunft noch attraktiver machen.

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Ronja Zöls-Biber

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktionsleitung BioNachrichten