In die Zukunft mähen

Von Biokreis-Redaktion | Gepostet am 30.09.2024

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Der Einsatz von Doppelmessermähwerken ist ein echter Erfolg für die Biodiversität. Von Peter Schmidt

Wenn Biokreis-Bauer Randolf Meier mit seinem Doppelmesser-Mähwerk seine zahlreichen Naturschutzflächen in Kierspe (NRW) mäht, dann freut er sich bei jedem Blick nach hinten: „Da siehst du, wie Grashüpfer und Schmetterlinge sich wieder ihren Platz suchen.“ Insekten haben überlebt, das Mähwerk beweist bei jeder Aktion: Es ist ein echter Fortschritt für die Vielfalt. Wobei: Fortschritt? Blättert man in den Annalen Jahrzehnte zurück, dann hingen an den Alt-Traktoren der 1950er-Jahre schon immer Balkenmähwerke, die Technik ist prinzipiell nicht so neu. Aber die neuen Doppelmesser-Mähwerke sind technologisch optimiert und nicht mehr vergleichbar. Aus der Vergangenheit lernen und so in die Zukunft mähen – dafür steht heute das Doppelmessermähwerk. Allerdings: Das Mähen ist anspruchsvoller als mit den aktuell vorherrschenden Rotationsmähwerken, das bestätigt auch Randolf Meier: „Man muss sich schon mehr konzentrieren und sollte ein wenig vom Tempo gehen.“

Gegen den tödlichen Sog

Es gibt gute Argumente für das Doppelmesser-Mähwerk. Seine Renaissance startete mit dem steigenden Bewusstsein für den Wert aller Lebewesen auf den Flächen. Denn gerade in den seltener gemähten Flächen leben zu Hauf Insekten und Schmetterlinge, aber auch Frösche, bodenbrütende Vögel, Spinnen und viele mehr. Wird mit einem der klassischen Rotationsmähwerke gemäht, dann entsteht ein ungeheurer Sog. Die Grashüpfer haben keine Chance, noch irgendwohin zu hüpfen und sich zu retten. Sie
und andere geraten zwischen die Messer, und ein hoher Anteil kommt hinten geschreddert wieder aus dem Mähwerk heraus. Wer zur Arbeitserleichterung noch einen Aufbereiter ins Mähwerk integriert hat, bei dem sterben je nach Tierart rund 60 Prozent der Lebewesen.

Das lässt sich mit dem Doppelmessermähwerk wesentlich reduzieren. Denn statt des tödliches Sogs fangen die Gräser durch die Schnittbewegungen an zu zittern – was sich auch ein Stück in Fahrtrichtung fortsetzt. So werden die Grashüpfer und andere gewarnt und können sich so noch flott in Sicherheit bringen. Die Todesrate, die nie ganz auf Null zu senken ist, geht dann auf etwa 5 Prozent zurück. Das ist ein echter Erfolg für die Biodiversität.

Weniger wenden

Doch das Messermähwerk weist auch einige betriebliche Vorteile auf, wie den geringen Kraftstoff Verbrauch. Pro Meter Schnittbreite braucht es rund zwei Pferdestärken, am Berg wie immer ein wenig mehr. Hier kommen die leichteren, kleineren Schlepper an die Arbeit. Damit spart das Messermähwerk Diesel und reduziert damit den CO2-Anstieg in der Atmosphäre. Die leichten Mähwerke mitsamt ihren leichteren Schleppern verringern zudem den Bodendruck und schonen damit das, wovon wir leben: Bodenlebewesen und Bodenstruktur.

Für den landwirtschaftlichen Alltag besonders interessant ist, dass das Mähgut in breiten Bahnen abgelegt wird. So kann die Sonne ihr Werk beginnen, bevor der Wender das erste Mal die Wiese befährt. Die Sonne trocknet vor, was sich gerade in feuchten Sommern wie diesen bewähren kann. So braucht das Futter weniger Wende-Einsätze und ist schneller einfahrbereit. Das ist letztlich auch wieder gut für die Lebewesen auf der Fläche – denn auch durch das Wenden werden zu viele Insekten getötet, weniger Wenden hilft. Ein weiterer Pluspunkt: Während Rotationsmähwerke das Gras eher „abreißen“, schneiden die Messer es recht sauber ab – so fällt es dem weniger verletzten Gras leichter, wieder auszutreiben. Weil es besser nachwächst, steigert sich sogar der Aufwuchs auf der Fläche. Zudem bleibt das Futter sauberer, was letztlich die Tiere im Stall freut.

Full-Speed geht nicht

Es spricht also viel fürs Doppelmesser-Mähwerk. Trotzdem schätzt auch Randolf Meier, dass es nicht für alle Einsätze geeignet ist. „Ich fahre langsamer als mit dem Scheiben-Mähwerk.“ Wer also Höchstleistung anstrebe, viele Hektar am Tag mähen will oder muss, um die Rinder im Stall satt zu kriegen, der wird mit einem Mähbalken weniger glücklich, schätzt Meier: „Full-Speed geht nicht wirklich.“ Geschwindigkeiten um die zehn Kilometer pro Stunde sind ratsam. Eilige Mäher auf Hochertragsflächen fahren auch mal etwa doppelt so schnell.

Diese richtig scharfen Klingen schneiden das Gras ab, verringern die Tier-Verluste und sind so ein Beitrag für die Biodiversität auf den Flächen.

Außerdem – auch damit muss kalkuliert werden – die scharfen Messer sind empfindlicher. Sie sollen ja schneiden, nicht nur Gräser abreißen. Auf guten Flächen soll die „Standzeit“ – also die Zeit, die mit einem Messer ohne Nachschärfen gemäht werden kann – bei etwa 15 Hektar liegen. „Doch auf unseren hügeligen Naturschutzflächen rechne ich eher mit drei Hektar“, so Meier, der das gelassen nimmt. Fährt er weiter weg vom Hof, hat er immer eine Akku-Flex auf dem Schlepper, mit der er auf der Fläche einen kleinen Schaden ausbessern kann. Außerdem hat er stets Ersatzmesser daheim. Während Sohn Timo Meier dann auf dem Schärfroboter in seiner Landmaschinen-Werkstatt in Kierspe nachschärft, spannt Randolf ein neues Messer an – „und das geht in ein paar Minuten: zwei Schrauben gelöst, einige Schnellverbinder, und schon ist das alte Messer ab und das neue kann angebaut werden“. Schneller also als bei manch einem Rotationsmähwerk – aber eben auch öfter.

Mehr Anbieter am Markt

Kalkulatorisch also sollte jeder, der in ein Doppelmesser-Mähwerk investiert, auch den Schleifroboter einkalkulieren. Idealerweise würde der aber gemeinschaftlich beschafft oder über einen Maschinenring. Timo Meier, der hauptberuflich über seine Firma Landtechnik Meier auch die Kema-Mähwerke vertreibt, bietet solche Roboter für rund 3.000 Euro an, dazu gehört auch mindestens ein Messersatz als Ersatz zu rund 1.100 Euro. Der Preis für ein anbaufertiges Kema-Doppelmessermähwerk am Heck mit 3,20 Meter Breite, wie es Randolf Meier fährt, liegt dazu bei etwa 13.000 Euro. Der Markt der Anbieter ist in den vergangenen Jahren breiter geworden. Randolf Meier fährt Kema, BB-Umwelttechnik aus Bayern gehört bestimmt zu den Pionieren, doch auch Brielmeier bietet für Einachser Doppelmesser-Mähwerke an, Heuma ist dabei und viele mehr … Wichtig aber ist: Das Schneidwerk stammt zumeist aus Ennepetal in NRW: ESM ist Qualitätsanbieter. Und aufs Schneidwerk kommt es an. Timo Meier, der selbst die Kema-Mähwerke vertreibt, berichtet, dass die unterschiedlichsten Landwirt:innen sich für die Doppelmesser-Technik interessieren. Da sind die, die über die Naturschutzprogramme zusätzliche Einnahmen erzielen können und damit ihre Vertragsnaturschutzflächen mähen. Und die Kleineren, die eben nicht große Hektarschläge auf einen Schlag mähen müssen. Oder auch Betriebe, die besonders sauberes Futter gewinnen wollen – vom klassischen Pferdebetrieb bis hin zu den ganz besonderen Betrieben: „Einer will damit Kaninchenheu mähen“, berichtet Timo Meier. Doppelmesser ist auch etwas für Spezialisierte.

Finanziell ist der Zusatzaufwand für Randolf Meier zu bewältigen. Da seine Naturschutzflächen über das regionale Kulturlandschaftsprogramm gefördert werden, haben sich die Kosten nach den ersten zwei Nutzungsjahren über die zusätzlichen Prämien wieder hereingespielt. Denn es gibt Zusatzgelder, wenn die Vertragsnaturschutz-Flächen mit dem Doppelmesser gemäht werden. Meier kann mit 160 Euro je Hektar kalkulieren. Dafür kann man dann auch mal ein paar Stundenkilometer langsamer fahren …

Peter Schmidt

Ökolandwirt und Vorstand Biokreis Erzeugerring NRW und Nordrheinwestfalen

Biokreis-Redaktion