Arten schützen mit Photovoltaik?

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 30.09.2024

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Solarparks und Agri-PV-Anlagen prägen die Landwirtschaft immer mehr. Rebekka Blessenohl, Referentin für Erneuerbare Energien und Naturschutz beim Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), erklärt, wie dort trotzdem die Artenvielfalt gefördert werden kann.

Rebekka Blessenohl, Referentin für Erneuerbare Energien und Naturschutz beim Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
Bild: NABU/sevens+maltry

Frau Blessenohl, die Zunahme von Solarparks und Agri-PV-Anlagen verändert massiv die Landschaft. Was bedeutet das für die Arten?
Beide Formen der Energieerzeugung stellen bauliche Anlagen dar, die auch Lebensräume wegnehmen können. Vögel, die ein Feld als Rastfläche genutzt haben und dort plötzlich hoch aufgeständerte, dachartige Module vorfinden, verlieren einen Teil ihres Lebensraums. In Agri-PV Anlagen, wo unter den Modulen weiter bewirtschaftet wird und damit eine Doppelnutzung stattfindet, wird im Optimalfall an anderer Stelle weniger Fläche verbraucht und mehr Lebensraum erhalten. Das ist die idealisierte Annahme. Die zentrale Frage ist: Wie wurde eine Fläche vorher genutzt? Für eine Bewertung braucht es hier immer eine Einzelfallbetrachtung.

Welche Standorte sollten demnach prinzipiell ausgeschlossen werden?
Die meisten Schutzgebietskategorien sollten tabu sein, aber auch sensible Bereiche, wie etwa „Gebiete mit seltener Ackerwildkraut-Flora“.

Und welche Standorte sind andererseits zu empfehlen?
Vorrangig natürlich versiegelte Flächen. Diese reichen aber leider nicht aus, so dass auch ein Ausbau in der Freifläche notwendig ist. Viel Potenzial sehen wir bei intensiv bewirtschafteten Flächen, vor allem bei jenen, auf denen Energiepflanzen wachsen. Das sind derzeit immerhin 15 Prozent der Ackerfläche – obwohl wir wissen, dass der Energieertrag viel schlechter ist als bei PVFlächen.

Welche Artenschutzmaßnahmen können in den Solarparks und Agri-PV-Anlagen umgesetzt werden?
Bei beiden Formen ist viel erreichbar, wenn man diese Maßnahmen von Anfang an einplant. Essenziell in Solarparks sind Reihenabstand und Anteil der besonnten Fläche. Da nur kleine Stäbe im Boden verankert werden, ist der Grad der Versiegelung relativ gering. Um Kleinsäugern den Zugang zu erleichtern, sollte bei der Umzäunung ein Abstand zwischen Zaun und Boden frei gelassen werden. Maschendrahtzäune mit großer Durchlässigkeit sind ebenfalls zu empfehlen. Zusätzlich sollten entlang der Umrandung Hecken gepflanzt werden. Steinhaufen für Reptilien und Kleingewässer lassen sich ebenso als Kleinbiotope in den Park integrieren. Zentral ist natürlich auch eine extensive Bewirtschaftung mit entsprechenden Mahd Zyklen oder Schafsbeweidung. Werden bei der Agri-PV unter den Modulen Pflanzen kultiviert, wird es mit Biodiversitätsmaßnahmen schon etwas schwieriger. Die aufgeständerten Module nehmen viel Platz in Anspruch, darunter müssen auch noch die Sträucher oder Kulturen untergebracht werden. Bei vertikal aufgeständerten Agri-PV-Anlagen bietet sich links und rechts der Module, wo die Maschinen nicht mehr fahren, weil sie die Module beschädigen könnten, die Etablierung von Blühstreifen an. Doch diese müssen natürlich auch gepflegt werden.

Macht es Sinn, bereits bestehende Anlagen noch hinsichtlich der Biodiversität aufzuwerten?
Je früher in der Planung die Maßnahmen berücksichtigt werden, desto besser. Aber aktuell setzt der NABU gemeinsam mit einem Naturstrom-Solarpark in Sachsen solche Verbesserungsmaßnahmen um. Mittels eines Monitorings wird festgestellt, welche Arten den Park als Lebensraum nutzen und was
für diese optimierbar ist. Um den Park herum werden, wo das möglich ist, außerdem Hecken gepflanzt.

Wie artenfreundlich sind denn die Anlagen in Deutschland?
Zahlen haben wir dazu nicht. Es gibt eine Fülle an Parks, und über unsere Landesverbände wissen wir, dass die Variabilität bezüglich der Biodiversität groß ist. Natürlich haben wir viele schlechte Beispiele mit eng gestellten Modulen, unter denen nur Gras wachsen kann. Aber wir sehen auch das Gegenteil. Man muss dazu sagen: Der Wille ist oftmals da, aber natürlich kostet eine Realisierung auch Geld.

Wird Biodiversität in Solarparks und Agri-PV-Anlagen gefördert?
Aus dem Solarpaket 1 geht hervor, dass Förderungen für Solarparks nur erfolgen, wenn mindestens drei von fünf vorgegebenen Kriterien erfüllt sind (siehe Kasten). Die Kriterien sind allerdings sehr lasch angesetzt. Verbindlich einzuhaltende Standards gibt es nicht.

Was fordern Sie hierzu von der Politik?
Oberstes Ziel wäre die Erfüllung und Nachschärfung aller fünf Kriterien. Aus unserer fachlichen Sicht ist beispielsweise eine Überschattung von 40 Prozent das Höchstmaß, in den Kriterien werden jedoch 60 Prozent angesetzt. Die Mindestkriterien müssen auch angepasst für Agri-PV-Anlagen in die gesetzlichen
Vorgaben integriert werden.

Ist die Landwirtschaft überhaupt der richtige Ort für die Energieerzeugung?
Wir haben ein unglaubliches Flächenproblem in Deutschland, das sich noch weiter verschärfen wird. Ich weiß nicht, was abgesehen von den Dach- und Parkplatz-PV-Anlagen die Alternative zur Landwirtschaft als Standort für Solarparks wäre. Dennoch müssen wir als Gesellschaft über die Bedarfe sprechen und verhandeln.

Aus dem Solarpaket, EEG §37 Absatz 1A:

(1a) Gebote für Anlagen nach Absatz 1 Nummer 1 und 2 dürfen nur abgegeben werden, wenn die Anlagen mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllen sollen:

1. die von den Modulen maximal in Anspruch genommene Grundfläche beträgt höchstens 60 Prozent der Grundfläche des Gesamtvorhabens,

2. auf den Boden unter der Anlage wird ein biodiversitätsförderndes Pflegekonzept angewandt, indem
a) die Mahd zur Förderung der Biodiversität maximal zweischürig erfolgt und das Mahdgut abgeräumt wird oder
b) die Fläche als Portionsweide mit biodiversitätsfördernd an den Flächenertrag angepasster Besatzdichte beweidet wird,

3. die Durchgängigkeit für Tierarten wird gewährleistet, indem
a) bei Anlagen, die an mindestens einer Seite eine Seitenlänge von mehr als 500 Metern aufweisen, Wanderkorridore für Großsäuger angelegt werden, deren Breite und Bepflanzung die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigen, und
b) die Durchgängigkeit für kleinere Tierarten gewährleistet wird

4. auf mindestens 10 Prozent der Fläche der Anlage werden standortangepasste Typen von Biotopelementen angelegt

5. die Anlage wird bodenschonend betrieben, indem
a) auf der Fläche keine Pflanzenschutz- oder Düngemittel verwendet werden und
b) die Anlage nur mit Reinigungsmitteln gereinigt wird, wenn diese biologisch abbaubar sind und die Reinigung ohne die Verwendung der Reinigungsmittel nicht möglich ist.

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Ronja Zöls-Biber

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktionsleitung BioNachrichten